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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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folgte zu Pferd und im Wagen seine ganze Familie: die beiden Brüder, Elisabeth mit gewölbtem Leib, die zwei Kinder und seine Mutter Sophia. Mehrere Kapläne gehörten zu seinem Tross, dazu der altgediente Beichtvater Berthold, außerdem etliche Ärzte, zu erkennen an ihren dunklen Roben, und zwei Schreiber mit Bauchpulten. Im Lager brandete Jubel auf, als die fürstliche Familie vorbeizog und in die Stadt einritt. Ludwig und Elisabeth wollten ihre letzte gemeinsame Nacht nicht im Zeltlager verbringen, sondern im behaglichen Hessenhof am Neumarkt.
    Gisa war mit im Frauenkarren gefahren, den kleinen Hermann auf dem Schoß. Ihr war weh ums Herz; wie gern wäre sie mit ins Heilige Land gezogen. Beim Aussteigen fiel ihr Blick auf Heinrich Raspe, der mit verkniffener Miene auf seinem Pferd saß. Seit ihrem Streit und dem Ende ihrer Liebe vor drei Monaten hatte er sie keines Blickes mehr gewürdigt, behandelte sie wie Luft. Sie war unglücklich, aber auch erleichtert, dass es nun vorbei war. »Du hast halt einfach Pech mit den Männern«, hatte die Hühner-Els zu ihr gesagt. Ja, das schien wohl so. Erst einer, der ihre Liebe nicht wollte, dann ein Teufelsanbeter, Lügner und Betrüger. Gisa sah hinüber zum Stalltor des Hessenhofes. Dort stand Raimund von Kaulberg und gab einem Pferdeknecht Anweisungen. Verwegen sah er aus mit seinem dunklen Kreuzfahrerbart, das Haar mit einem Lederbändchen im Nacken gerafft. Ihn würde sie vermissen. Und sie würde Angst um ihn haben. Als Waffenmeister des Landgrafen musste er stets in vorderster Linie kämpfen – und wie viele tapfere Ritter kehrten nie zurück …
     
    Der Abend verlief schweigsam, überschattet vom traurigen Gefühl des Abschieds. Nicht einmal die wunderschönen neuen Wandmalereien im Weinkeller konnten die Stimmung aufheitern. Elisabeth und Ludwig zogen sich früh in ihre Gästekammer zurück. In dem schmalen Bett schmiegten sie sich eng aneinander, Ludwig legte seine Hand auf Elisabeths gewölbten Bauch. »Er bewegt sich«, sagte er lächelnd.
    »Oder sie.«
    Er küsste ihren Nabel. »Es wird bestimmt ein Sohn. So kräftig, wie der strampelt.«
    »Wir werden sehen«, lachte Elisabeth. Dann wurde sie ernst. »Hoffentlich lernt er seinen Vater bald kennen«, sagte sie, »und muss nicht ohne ihn aufwachsen. Ach, Ludwig, ich kann gar nicht so viel beten, wie ich Angst habe.«
    »Pass nur auf, Schwesterchen, ich bin schneller wieder gesund zurück, als du glaubst.«
    Elisabeth setzte sich auf. »Wir wollen das Kind der Kirche weihen, mit der Bitte um eine glückliche Rückkehr. Es soll unsere Gabe an Gott sein, damit er seine schützende Hand über dich hält.«
    Ludwig nickte. »Wenn das dein Wunsch ist, dann soll unser drittes Kind einmal dem Herrn dienen und ins Kloster gehen.«
    Sie legte ihren Kopf auf seine Brust. »Lass uns heute Nacht nicht schlafen, Liebster. Ich will die letzten Stunden mit dir auskosten.«
    Sie redeten noch lange, aber dann übermannte Elisabeth doch die Müdigkeit. Nur Ludwig lag wach und hing seinen Gedanken nach.
     
    Am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang formierte sich vor der Stadt der Kreuzfahrerzug. Vorne an der Spitze sollte die landgräfliche Familie reiten, anschließend, nach Rang gestaffelt, Adel und Ritterschaft. Aber noch lief und rannte alles durcheinander, jeder suchte seinen Platz, die Aufregung war groß. Gisa führte ihren kleinen Zelter am Zügel und bahnte sich ihren Weg durch das Gewimmel der Menschen und Pferde, dorthin, wo sie Ludwig auf seinem Schimmel sitzen sah. Vor einem Mäuerchen hielt sie an, um aufzusteigen, doch gerade als sie ihren Fuß in den Steigbügel setzte, entdeckte sie ein Stück abseits der Menge Heinrich Raspe. Er drehte ihr den Rücken zu und sprach mit jemandem. Das heißt, er sprach nicht laut, sondern er neigte sich seinem Gesprächspartner zu und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dabei sah er sich ständig misstrauisch um, als wolle er nicht beobachtet werden. Der andere war ein junger Mann mit kurzem dunklen Haar und einer Narbe an der Schläfe, und Gisa kannte ihn irgendwoher. Sie überlegte und grübelte, aber es fiel ihr nicht ein. Heinrich redete noch eine Weile auf den Dunkelhaarigen ein, holte dann einen prall gefüllten Beutel aus seinem Hosensack und drückte ihn dem anderen in die Hand. Der ließ ihn schnell unter seinem Mantel verschwinden. Dann trennten sich die beiden. Es war eine merkwürdige Szene, und Gisa beschlich ein ungutes Gefühl. Da hörte sie hinter sich eine wohlbekannte

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