Die Tore zu Anubis Reich
Harlekin, einer riesigen Spinne gleich, die ein perverses Gehirn aus gestreiftem Zuckerwerk gemacht hatte, schwang in seiner Schaukel rasch vor und zurück, während Romany oder Romanelli oder wie er diese Woche sonst heißen mochte, in seinem hohen Räderkarren wie in einem Kinderwagen zurückgelehnt saß, umgeben vom huschenden bläulichen Lichtschein eines knisternden Elmsfeuers, das seinen gequälten Körper jetzt noch heller als vor fünf Minuten umspielte. »Ich nehme an, sie sind fort?« fragte Horrabin.
»Das sind sie.«
»Und sorgfältig instruiert, diesmal nichts zu verpfuschen?« warf Romanelli ein.
Carrington warf ihm einen kalten Blick zu. »Sie fingen ihn damals für Euch, und sie werden es auch diesmal tun.«
Romanelli blickte finster, dann entspannten sich seine Züge, als fehlte ihm einfach die überschüssige Energie, sich wegen jeder Insubordination aufzuregen. »»Geh hinunter zum alten Krankenhaus!« sagte er. »Sieh zu, daß sie alles vorbereiten!«
»Zu Befehl.« Carrington eilte hinaus, und die beiden hörten seine Stiefel durch den Korridor trappen und dann die lange Steintreppe hinunterpoltern.
»Warum gehen Sie nicht mit?« krächzte Romanelli den Clown an.
»Ich bin gerade erst gekommen!« jammerte Horrabin. »Und es gibt einiges, was wir zu besprechen haben, wenn es Euch recht ist. Ich hatte eine Vereinbarung mit Eurem Ka getroffen: Danach sollte ich...«
»Er ist tot, und mit mir haben Sie keine Vereinbarung. Gehen Sie!«
Nach einer Pause streckte Horrabin die Hände nach den Stelzen aus, kämpfte sich zappelnd aus seiner Gurtschaukel und auf sie, und stand wacklig in der Mitte des Raumes. »Ihr seid verdammt sicher...«
»Gehen Sie!« wiederholte Romanelli. Er hatte die Augen geschlossen, und sein Gesicht sah aus wie ein dünner Lappen, den jemand zum Trocknen über ein paar Steine gelegt und dort vergessen hat.
Das Pochen von Horrabins Stelzen entfernte sich.
Romanellis Mund klappte auf, er atmete tief ein und ließ ein langes Seufzen ertönen.
Seine Zeit wurde verdammt kurz - er wog nur noch dreißig Pfund und wußte, daß er nicht so stark war, wie der Meister es gewesen; er würde seine Herrschaft über die unnatürlich erhaltenen Bestandteile seines Körpers verlieren und einfach zusammenbrechen oder in Stücke zerfallen, bevor der Punkt der Schwerelosigkeit erreicht wäre. Für ihn würde es keinen Abflug mondwärts geben.
Ihn schauderte, als er sich zu erinnern suchte, wie viele Zauberer sowohl kräftig als auch gegennatürlich genug gewesen waren - beide Qualitäten waren ungeheuer schwierig miteinander zu vereinbaren und gleichzeitig zu beherrschen, es glich dem steten Bemühen, die positiven Enden von zwei Magneten zusammenzupressen; der Aufbau dieser unheimlichen Mondanziehung, die in extremen Fällen wie dem des Meisters zu einer weit stärkeren Anziehungskraft werden konnte, als durch die tatsächliche physikalische Schwere des Mondes erklärt zu werden vermochte, war wenigen gegeben. Da hatte es einmal diesen Türken gegeben, Ibrahim, der sich schließlich in einem von hohen Mauern umgebenen Hof mehrere Meilen außerhalb von Damaskus bis zu den Knien in massiven Stein hatte einmauern lassen und dort für seine Weissagungen Vermögen verlangt hatte. Er hatte nur geweissagt, wenn der Mond über ihm am Himmel stand und sein Haar und seine Arme aufwärtsbaumelten, ein Effekt, der seine Kunden stark beeindruckte, bis ein Mann, der über das ihm geweissagte Schicksal nicht erfreut gewesen war, einen Krummsäbel gezogen und Ibrahims Knie durchschlagen hatte, worauf der so verstümmelte Zauberer kreischend hinauf in den Himmel aufgefahren war. Und in einem der verlorengegangenen Bücher der apokryphen Clementinischen Erkenntnisse hatte sich die kurze Erwähnung eines sehr alten Zauberers befunden, der eines Nachmittags in Tyana vom Erdboden aufgestiegen und noch tagelang am Himmel sichtbar gewesen war, wo er gerufen und gestikuliert hatte, bis er schließlich zu weit fortgetrieben worden war, um gesehen zu werden. Offenbar steckte ein wahrer Kern in den sehr alten Geschichten über den einst bewohnten Mond, der dann durch eine längst vergessene transzendente Perversität zum Monument und Archetyp öder Verlassenheit geworden war.
Romanelli erinnerte sich, daß er die unangenehme Aufgabe gehabt hatte, die Ausräumung und Säuberung der Straße unter dem Bab-el-Azab zu beaufsichtigen, als ihm der hohle Knall eines Kanonenschusses weit im Süden zu Ohren gekommen war.
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