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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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sie.
    Die Frau, hinter der Doyle eine bekannte Spiritistin vermutete, hatte sich, wie könnte es anders sein, in eine Art Trance versetzt, und Benner eilte zu ihr und flüsterte ihr etwas zu. Sie kam sofort zu sich und ließ sich am Arm hinausführen.
    »Benner«, sagte Darrow. »Ach, schon gut, machen Sie weiter. Mr. Doyle, würden Sie bitte hinausgehen und Clitheroe sagen, daß er mit den Kutschen vorfahren soll?«
    »Gewiß.« Im Eingang machte Doyle noch einmal halt, um einen letzten Blick auf Coleridge zu werfen - er fürchtete, daß er nicht scharf genug achtgegeben und aus dem Abend nicht soviel Gewinn gezogen hatte wie etwa die Thibodeaus -, dann wandte er sich seufzend zum Gehen.
    Die Diele war dunkel, der Boden uneben, und Benner und das unglückliche Medium nicht in Sicht. Doyle tastete sich um eine Ecke, fand sich aber statt in der Eingangshalle am Fuß einer Treppe, deren unterste Stufen von einer Kerze in einem Wandleuchter erhellt wurden. Es mußte die andere Richtung sein, dachte er und machte kehrt.
    Er schrak heftig zusammen, denn ein sehr großer Mann stand unmittelbar hinter ihm; sein Gesicht war zerklüftet und unangenehm gefurcht, wie von lebenslanger Verdrießlichkeit eingegraben, und sein Schädel war kahl wie der Kopf eines Geiers.
    »Gott, haben Sie mich erschreckt!« rief Doyle aus. »Verzeihen Sie, ich scheine mich...«
    Mit erstaunlicher Kraft packte der Fremde ihn bei der Hand, riß ihn herum und drehte ihm den Arm auf den Rücken, und als Doyle vor Schmerz und neuerlichem Erschrecken keuchte, wurde ihm ein nasses Tuch gegen das Gesicht gedrückt, so daß er statt Luft scharf aromatische Ätherdämpfe einatmete. Er war ohnedies aus dem Gleichgewicht geraten, und so stieß er mit der Kraft totaler Panik nach hinten und fühlte den Stiefelabsatz hart gegen Knochen prallen, doch die kräftigen Arme, die ihn festhielten, zuckten nicht einmal. Sein Zappeln hatte zur Folge, daß er trotz aller Anstrengungen, den Atem anzuhalten, mehr Ätherdämpfe einatmete. Er fühlte eine warme dunkle Masse von Bewußtlosigkeit im Hinterkopf anschwellen und fragte sich verzweifelt, warum nicht jemand, Darrow, Benner oder sogar Coleridge, um die Ecke kam und Alarm schlug.
    In einem letzten Aufflackern verwirrten Bewußtseins kam ihm der Gedanke, daß dies der »leichenhafte alte kahlköpfige Kerl« sei, den Benner 1805, vor fünf Jahren oder ein paar Stunden, in seinem Zelt in Islington erschreckt hatte.

    Die abendliche Fahrt mit Hundsfott Richard war als willkommene Abwechslung von der schweißtreibenden Arbeit des Einschmelzens einer offenbar endlosen Zufuhr von Zinnlegierung angenehm gewesen, nun aber durch Wilburs Schilderung, wie ihre verfolgte Beute auf der Wiese erschienen war, verdorben. »Ich schlich hinaus und folgte dem alten Mann«, hatte Wilbur ihm zugeflüstert, als sie auf dem Kutschbock des Fuhrwerks auf die Rückkehr ihres Chefs gewartet hatten, »und sah ihn langsam durch den Wald gehen, bald stehenbleibend, bald weitergehend, beladen mit einigen seiner unheimlichen Werkzeuge - er hatte diesen Tontopf mit Säure und Blei bei sich, weißt du, der dich sticht, wenn du die zwei Metallknöpfe oben berührst. Ich sah, daß er sie immer wieder anfaßte, der Beng allein weiß warum, und ich sah auch, wie seine Hand jedesmal, wenn es ihn stach, zurückzuckte. Und er hatte dieses Teleskopding mit brünstigen Bildern bei sich.« Richard wußte, daß er den Sextanten meinte. Wilbur konnte nie verstehen, daß es nichts mit Sex zu tun hatte, und so nahm er immer an, daß der Chef schmutzige Bilder betrachtete, wenn er hindurchspähte. »Und er blieb viele Male stehen, um durchzuschauen - um sein Blut in Wallung zu halten, nehme ich an. Also beobachtete ich ihn hinter einem Baum, als er auf diese Wiese hinausging, seine Tittenbilder anschaute und sich dann stach, als ob er es vielleicht bereute. Dann faßte er wieder einmal den Topf an, und seine Hand zuckte nicht zurück. Er schaute ihn an und schüttelte ihn und faßte wieder hin, und die Hand zuckte nicht, also war mir klar, daß der Topf entzwei gegangen war. Gleich darauf rannte er zurück zu den Bäumen, diesmal ohne stehenzubleiben, und ich drückte mich an den Stamm, weil ich Angst hatte, er möchte mich sehen. Das tat er jedoch nicht, und als ich wieder hinausspähte, war er ungefähr fünfzig Schritte von mir entfernt hinter einem Baum und starrte angestrengt auf die leere Wiese. Darauf schaute ich auch hin, und mir war nicht wenig bange, denn

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