Die Tore zu Anubis Reich
was es auch war, was er vorhatte, es machte sogar ihn unruhig.«
Als Wilbur zum Atemholen innehielt, faßte Richard in sein Hemd und hielt Finger und Daumen über die Ohren seines kleinen hölzernen Affen, denn er argwöhnte immer, daß furchtsames Gerede ihn aufregte. »Also«, fuhr Wilbur fort, »wir blieben ein paar Minuten so stehen, und ich wagte nicht wegzugehen, aus Furcht, er könnte mich hören. Und auf einmal gab es einen lauten dumpfen Schlag und einen Windstoß in den Baumwipfeln, und ich schaute gerade rechtzeitig hinaus, um mitten auf der Wiese ein großes schwarzes Zelt zusammenfallen zu sehen.« Er packte Hundsfott bei der Schulter und drückte sie bekräftigend. »Und ich schwöre, daß das Zelt nicht dagewesen war, als ich ein paar Sekunden vorher hingeschaut hatte! Es erschien einfach dort, verstehst du? Ich machte Abwehrzeichen und sagte ungefähr ein Dutzend Male ›Knoblauch!‹, weil ich keinen bei mir hatte, denn jeder konnte sehen, daß es das Werk des Beng war. Dann kamen ein paar vornehm angezogene Kerle unter dem Zelt herausgekrochen und zogen es weg, und du wirst es nicht glauben, aber es waren zwei Kutschen darunter, mit brennenden Laternen und allem! Und Leute in beiden, und angeschirrte Pferde. Und einer von diesen Bengskerlen sagte ganz laut: ›Was für ein Sprung! Alles in Ordnung? Was ist mit den Pferden?‹ Ein anderer brachte ihn zum Schweigen. Dann legten ein paar von ihnen das Zelt zusammen und gruben es ein, und die beiden Kutschen fuhren zur Straße. Dann lief der Chef zurück zum Lager, ich hinterdrein, und sagte uns, wir sollten diesen Wagen anspannen und ihnen folgen.«
Nach seiner Erzählung zog Wilbur sich unter die Plane zurück und nutzte die Wartezeit, nach seinem lauten, gleichmäßigen Atmen zu urteilen, zu einem Nickerchen. Hundsfott Richard beneidete ihn um die Fähigkeit, über beunruhigende Dinge einfach nicht weiter nachzudenken. Der alte Zigeuner rückte unbehaglich auf dem Kutschbock und blickte zur rückwärtigen Tür des Krone und Anker. Schon der Aufenthalt in der Stadt machte ihn nervös, denn alle gorgios starrten ihn an, und die prasta- mengros waren immer schnell bei der Hand, wenn es galt, einen Romani in die Arrestzelle zu stecken, aber das Wissen, daß obendrein noch Zauberei mit im Spiel war, bereitete ihm Kopfschmerzen, so gefährlich war es alles. Richard hatte eine unzigeunerhafte Fähigkeit, vergangene und gegenwärtige Situationen miteinander zu vergleichen, und er wünschte sich unglücklich, daß der alte Amenophis Fikee damals vor acht Jahren nicht verschwunden wäre; solange er ihr Chef gewesen war, hatte es auch nicht an Einnahmen gefehlt, und das Leben war viel weniger anstrengend gewesen. Wieder steckte er die Hand ins Hemd und tätschelte den Kopf des hölzernen Affen beschwichtigend mit dem Daumen.
Die Hintertür der Taverne öffnete sich quietschend, und Dr. Romany, einen schlaffen Körper über der Schulter, kam mit seinen hüpfenden Schritten auf den Wagen zu. »Auf, Wilbur!« zischte Richard einen Augenblick bevor ihr Chef das Wagenheck erreichte.
»Hilf mir, diesen Burschen zu verladen, Wilbur!« sagte Dr. Romany.
»Avo, rya«, antwortete der augenblicklich ermunterte Wilbur.
»Vorsichtig, du Idiot! Schlag seinen Kopf nicht an - ich brauche, was drinnen ist. Avo, auf die Decken, das ist kuschto. Nun binde und kneble ihn!« Der alte Chef zog die rückwärtige Zeltbahn zu, schnallte sie fest und eilte dann, überraschend gewandt auf seinen gefederten Sohlen, nach vorn und erkletterte den Kutschbock, um sich neben Richard niederzulassen. »Sie sind offenbar im Begriff, das Lokal zu verlassen«, sagte er. »Einen habe ich gefangen, aber wir folgen den anderen.«
»Avo, rya«, sagte Richard. Er schnalzte den Pferden, und das Fuhrwerk ruckte an, daß die hohen Eisenreifen, die das Dach hielten, vor und zurück schwankten und das Zeltbahnverdeck klatschte. Sie bogen zwei Blocks östlich der Taverne auf den Strand und hielten an der Bordsteinkante.
Sie warteten annähernd eine halbe Stunde, und während dieser Zeit blieb eine Anzahl Fußgänger stehen oder trat näher, angelockt von der in schnörkeligen Zierbuchstaben auf die Seitenteile der Plane gemalte Inschrift DR.ROMANYS ÄGYPTISCHE WANDERAUSSTELLUNG . Dann endlich merkte Romany auf. »Richard! Da fahren sie - ihnen nach!«
Der alte Zigeuner schnalzte, die Zügel klatschten, und das Fuhrwerk rollte in den Verkehrsstrom. Auf der Straße drängten sich Kutschen und Fuhrwerke
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