Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
viel bereuen würde.
»Ich bleibe.«
Er sah sie an und runzelte die Stirn.
»Er ist kein …«
»Ich weiß.«
Er nickte schweigend. Dann hob er ihren Bogen und ihren Köcher auf, zählte kurz und warf ihr dann beides zu.
»Du hast noch dreizehn Pfeile«, sagte er. »Das gilt bei uns Rundohren als Unglückszahl.«
»Bei den Shict auch.«
»Hm.« Er zögerte, sah zu, wie sie ihre Waffe richtete. »Irgendwie ist es eine Schande, dich zu verlassen, nachdem du vorhin gedroht hast, mich zu töten, weil ich verschwinden wollte.«
»Du kommst schon drüber hinweg.« Sie deutete auf den Gang. »Geh. Und tu nicht ausgerechnet jetzt so, als wären wir Kameraden.«
Er nickte und drehte sich um. »Ich hole die anderen.«
»Nein, tust du nicht.«
»Vielleicht doch.«
Sie antwortete nicht, sondern starrte nur auf ihre Pfeile. Er blieb am Rand des Wassers stehen und warf ihr einen Blick über die Schulter zu.
»Was hast du eigentlich vor?«, erkundigte er sich.
»Irgendetwas.«
Er glitt lautlos ins Wasser und verschwand. Die Kampfgeräusche wurden ebenfalls leiser, schienen kaum mehr als ein Wispern von Schmerz in einem schwachen Windhauch. Eine Schande, dachte sie. Möglicherweise bleibt keiner mehr übrig, der kommen und mich töten könnte.
Denn das wäre vielleicht weniger schmerzlich, als am Leben zu bleiben und mit ansehen zu müssen, wie sie auf einen Menschen wartete, den sie gewagt hatte, ihren eigenen zu nennen.
Deshalb also … deshalb nennt man es Machtwort.
Der Gedanke zuckte durch Lenks Hirn, getragen von einer gellenden Kakofonie und diffuser Panik. Er spürte, wie das Lachen im Wasser hallte, wie es auf kreischenden Beinen in seine Ohren kroch. Trotz ihrer verzweifelten Wut jedoch war die Stimme kalt und klar.
»Luft«, befahl sie. »Wir brauchen Luft.«
Seine Augen wurden aufgerissen, die schmerzende Tagträumerei war vorbei. Das Wasser um ihn herum wirkte zäh und erdrückend, erstickte ihn wie eine flüssige schwarze Decke.
Aber sie war nicht annähernd schwarz genug, um das Ungeheuer zu verbergen, das auf ihn zuschoss.
Die sechs goldenen Augen von Machtwort glühten in boshafter Freude und bildeten einen starken Kontrast zu den schwarz schimmernden Augen des Haifisches, wie auch die großen weißen Zähne dieser Bestie furchterregend neben seinem starren, wie toten Blick wirkten.
»LUFT!« , brüllte die Stimme.
Furcht trieb seine Beine an, riss seinen Körper aus der umnebelten Trance. Er kämpfte, trat Wasser und schlug um sich, als stände er in Flammen. Er kämpfte sich zu dem schimmernden grünen Licht über ihm empor. Das Wasser rauschte stöhnend, als er die Wasseroberfläche durchstieß,
bat ihn, zurückzukommen, tastete mit flüssigen Krallen nach ihm.
Es bebte unter ihm, als der Haifisch vorbeischwamm. Doch das Entsetzen war nur von kurzer Dauer, denn jetzt füllte er seine Lungen mit so viel muffiger Luft, wie er nur konnte. Erst als die Gefahr des Ertrinkens gebannt war, setzte die kalte Furcht ein.
Das Wasser zitterte scheinbar mitfühlend. Sechs goldene Augen musterten ihn aus der Dunkelheit, drei Münder mit scharfen Zähnen grinsten ihn aus der Dämmerung an. Eine große Flosse, geformt wie die Schneide einer Axt, tauchte an der Wasseroberfläche auf, schwamm dort eine Weile, gelassen drohend, bevor sie wieder verschwand.
»Es spielt mit uns …« Das Bedürfnis der Stimme nach Atemluft war befriedigt, und ihre Kälte war durchdringender als jede Furcht. »Bring uns an Land.«
»Klar doch«, murmelte er.
Sein Blick fiel auf den zerbröckelnden Felsvorsprung, der über dem Wasser hing. Er griff danach. Der Atem brannte in seinen Lungen, als er um sich schlug und gegen das zähe Wasser kämpfte. Sein Herz pochte heftig in seiner Brust, schien das Wasser zu kräuseln, was zweifellos nicht unbemerkt blieb. Er spürte, wie etwas unter ihm hinwegglitt.
Der Felsvorsprung kam näher.
Er sehnte sich nach einem Schwert, nach einem mit Leder umwickelten Griff, um den er seine Finger legen konnte. Ein Mann mit einem Schwert war ein Mann mit einer Chance, so gering sie auch sein mochte. Ein Mann mit einem Schwert konnte befriedigt dem Tod ins Auge blicken, mit einem Schulterzucken und dem Wissen, dass er alles ihm Mögliche getan hatte. Ein Mann mit einem Schwert war nicht mehr als …
»Fischfutter«, antwortete die Stimme auf seine Gedanken.
Er ignorierte sie. Der Vorsprung war jetzt in Reichweite seiner Arme.
Seine Hand schoss verzweifelt nach oben, als ein Chor
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