Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
Verzweiflung in seiner Stimme hören noch spürte er, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. »Ich bin Rhega. Antwortet!« Er stieß die Worte erstickt hervor. »Redet mit mir!«
Sie sagten nichts, beobachteten ihn nur mit ihren gelben Augen. Das Feuer auf ihren Pfeilen erlosch, eines nach dem anderen. Und einer nach dem anderen verschwanden die Shen in der Dunkelheit, verloren sich ihre Körper in den Schatten.
»Nein!«, brüllte Gariath ihnen nach. »Ihr dürft jetzt nicht einfach verschwinden! Nicht, wenn ich so dicht davor bin!«
Aber sie ließen sich nicht aufhalten, schienen aufzuhören zu existieren, so wie ihre Flammen, ließen sich nicht anmerken, ob sie ihn gehört hatten oder sich für das, was er zu sagen hatte, interessierten. Er brüllte sie weiter an, als könnten sie ihm eine Antwort liefern, irgendeine Antwort, bevor sie gänzlich verschwanden.
»Woher kennt ihr die Rhega?«, heulte er ihnen nach. »Wo sind sie? Wieso sprecht ihr ihre Sprache? Wo sind sie? Was ist mit ihnen passiert?« Seine Stimme schlug zu einem weinerlichen, klagenden Flehen um. »Warum wollt ihr mir nicht antworten?«
Sie schwiegen weiterhin, verschwanden, bis nur noch eine einzelne flackernde Flamme übrig war, die ein einzelnes gelbes Auge beleuchtete. Yaike starrte Gariath ausdruckslos an; doch sein zerstörtes Auge schien tiefer zu blicken als sein gesundes Auge und lauter zu sprechen als seine barsche Stimme.
»Jaga, Rhega«, sagte er. »Heim. Alles was wir tun, tun wir dafür.«
»Und was macht ein Rhega? Sag es mir.«
Die letzte Flamme erlosch zischend, und um den Echsenmann herum war nur noch Finsternis. Nur eine Stimme drang, getragen von Rauchfahnen, zu ihm.
»Ich bin Shen.«
Gariath starrte in die Dunkelheit, lauschte auf das Geräusch von Rudern, die in Wasser eingetaucht wurden, das von dem fernen Gemetzel auf Deck und dem unwirklich tiefen Stöhnen der Akaneed nahezu überdeckt wurde. Und unter all dem Lärm konnte er die Stimme des Älteren hören, der so leise und doch so deutlich sprach, als wäre er direkt neben ihm.
»Was tut ein Rhega, Weisester?«
Er antwortete langsam, während sein Blick und seine Stimme in die Finsternis gerichtet waren.
»Leben ist kostbar«, flüsterte Gariath. »Ein Rhega lebt.«
»Ist es das, Weisester?«
Im selben Moment wurde sich Gariath der beiden Kreaturen bewusst, die hinter ihm allein auf dem Schiff lagen, so schwach, so hilflos. Noch vor wenigen Augenblicken hatte er gekämpft, um sie zu verteidigen. Er hatte sie vor wenigen Augenblicken auserwählt. Noch vor wenigen Augenblicken war er einer von ihnen gewesen.
Jetzt war er Rhega.
»Das Leben ist kostbar, Weisester«, erinnerte ihn der Ältere.
»Für jene, die es verdienen«, murmelte Gariath, ohne sich umzudrehen.
Dann stürzte er sich ins Wasser und verfolgte die Dunkelheit.
Draedaeleon konnte nicht denken.
Für gewöhnlich würde er sich für so etwas tadeln. Rein theoretisch war er schließlich der Intellektuelle in dem Haufen, und es erfüllte ihn mit sehr viel Stolz, wenn er diese Erwartung erfüllte.
Aber angesichts des Knisterns von Elektrizität, des unirdischen Stöhnens der verletzten Akaneed, des Gestanks nach Schwefel, in den sich der kupferne Geruch von Blut mischte, und der ungeheuren Anzahl von Leichen an Deck, mochte er sich wirklich nicht die Schuld dafür geben.
Seine Sinne waren überwältigt, nicht nur geblendet und betäubt von dem Chaos an Deck, sondern abgestumpft. Der unaufhörliche Krach von magischen Energien, Blitzen, Feuer, Frost sowie die gelegentliche Explosion eines Papierkranichs hatten sein Hirn in ein strahlendes rotes Licht getaucht, durch das er krampfhaft versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
Noch vor wenigen Augenblicken hatte er etwas anderes empfunden, etwas, das er noch nie zuvor gefühlt hatte, einen glänzenden schwarzen Fleck auf dem endlosen Laken aus Rot. Das Gefühl war neu und beinhaltete einen stechenden,
klaren Schmerz, der bisher unbekannte Qualen begleitete.
Und doch... hast du das wirklich noch nie empfunden?, fragte er sich.
Er erinnerte sich vage an Andeutungen davon, hier und da, verstreute schwarze Flecken in seinem Blickfeld, die auftauchten, ihn quälten und sofort wieder verschwanden. Er erinnerte sich, dass er sie in Eisentrutz wahrgenommen hatte, am Strand mit Asper...
Asper, dachte er. Ich sollte Asper retten, oder nicht? Deshalb sind wir doch überhaupt hierhergekommen. Wo ist sie? Was war der Plan? Verflucht, warum kann
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