Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
die Aeons alle Sterblichen bedroht.«
»Das taten sie auch«, erwiderte der Ältere. »Aber die Rhega waren aus Härterem gemacht als nur aus Haut und Knochen. Ganz gleich, was die Menschen versucht haben, uns zu sagen, wir hielten uns von ihren erbärmlichen Kriegen fern. Wenn wir starben, kehrten wir in die Erde zurück und
kamen wieder. Sollten sich die Menschen doch um ihre Himmel kümmern.«
»Und warum haben wir dann gekämpft?«
»Wir hatten unsere Gründe. Vielleicht hatten wir zu lange ein zu gutes Leben. Vielleicht mussten wir uns daran erinnern, was Schmerz und Tod bedeuteten. Ich weiß es nicht. Ich habe mir tausend Gründe ausgemalt, und keiner von ihnen fällt ins Gewicht. Am Ende sind wir immer noch tot.
Trotzdem haben wir gekämpft, und damals wurden wir ein Volk, das vom Tod besessen war. Als die ersten Rhega starben und nicht zurückkehrten, dachten wir nur noch ans Töten. Wenn wir nicht töteten, dann starben wir. Wenn wir nicht starben, dann töteten wir. Immer und immer wieder, bis wir der rote Gipfel auf einem Berg voller Leichen waren.«
»Und du bist im Kampf gefallen wie die anderen?«
»Nein«, erwiderte der Ältere. »Aber ich hätte so sterben sollen. Als die Kinder von Ulbecetonth gegen die Menschen marschierten und die Erde unter ihren Füßen erzitterte, marschierte ich neben allen anderen. Ich erklomm ihre gewaltigen Beine. Ich beschämte die Menschen und ihre albernen Metallspielzeuge, indem ich die Hirne der Abysmyths öffnete.« Seine Lider verengten sich zu Schlitzen, und er biss die Zähne zusammen. »Ich sprang in ihre Köpfe, ich zerfetzte sie, bis ich ihre Gedanken auf meiner Zunge schmecken konnte.«
Gariath erinnerte sich an die große Schlucht, an das riesige Skelett, das darin lag, und an das gewaltige Loch in seinem Schädel. Er erinnerte sich, wie der Ältere in dieses Loch gekrochen und verschwunden war, so wie er auch jetzt zu verschwinden schien, mit jedem Atemzug mehr verblasste.
Dann sprang er mit einem tiefen, unfreundlichen Lachen wieder hervor und war erneut deutlich zu erkennen.
»Und doch bin ich immer noch besessen vom Tod.«
»Wie bist du gestorben, Großvater?«
Sein Vorfahre seufzte so stark, dass sein Körper zitterte und durchsichtig wurde.
»Als ich aus diesem Schädel kroch, als ich kein Schreien mehr hörte, sah ich mich um und erkannte, dass ich der Letzte war«, sagte er. »Die Toten waren überall. Dämonen, Menschen, aber ich war der Einzige, der sich um die Rhega kümmerte, der Einzige, der sich um ihre Toten kümmerte. Die Sterblichen waren weitergezogen, trieben Ulbecetonth zurück zu ihrem Tor. Ich war allein.
Also grub ich die Erde um den Stammesältesten auf und schleppte ihre Leichen hierher zurück. Ich fand selbst den kleinsten Fetzen.« Er verstummte und blickte in das Wasser. »Jedenfalls fast alles. Aber die Rhega kamen zurück... nicht wiedergeboren, wie es hätte der Fall sein sollen, sondern so wie ich jetzt. Sie wollten immer noch kämpfen, fragten sich, wo ihre Familien waren, sie hatten alle so viele Gründe, und sie alle waren so müde...
Und so hieß ich jeden Einzelnen von ihnen zu schlafen, einen nach dem anderen. Dann beobachtete ich ihren Schlaf. Ich beobachtete sie so lange, dass ich vergaß, Nahrung zu mir zu nehmen, Wasser... und als ich zurückkam, war niemand da, der mich hieß zu schlafen.«
Er drehte sich herum und blickte Gariath scharf an. »Wenn du gegangen bist, Weisester, wer wird dich heißen zu schlafen?«
Gariath erwiderte seinen sorgenvollen Blick mit einem finsteren Stirnrunzeln.
»Du glaubst, ich werde sterben?«
»Wir alle sterben.«
»Ich bin noch nicht gestorben.«
»Du hast dir nur noch nicht genug Mühe gegeben.«
Der Drachenmann antwortete seinem Vorfahren mit einem kurzen Schnauben, und sein heißer Atem kräuselte die geisterhafte Gestalt, so wie sich das Wasser zu ihren Füßen kräuselte. Dann richtete Gariath seinen Blick wieder in den Teich. Durch den blauen Schleier spürte er ihre Blicke. In der Erde konnte er ihre letzten Momente wittern.
Doch er hörte ihre Stimmen nicht in der Luft, nicht einmal
das Flüstern des Schädels im Schlaf. Sie alle ruhten jetzt; starrten, tot, vollkommen stumm.
»Was fühlst du, Weisester?«, fragte der Ältere. »Hass auf die Menschen, die uns in diesen Krieg gezogen haben? Ein Verlangen nach Rache an den Dämonen?«
»Du kannst meine Gedanken nicht lesen, Großvater?«
»Ich war in deinem Kopf«, erwiderte der Geist kalt. »Das ist kein
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