Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
kenne. Du wirst dich immer zuerst widersetzen. Das ist deine Stärke. Wenn du es schließlich akzeptierst, wenn du uns willkommen heißt, werden wir umso stärker sein.«
Darauf konnte er nicht antworten, denn seine Stimme gehorchte ihm nicht. Sein Hals schwoll an, war wie versiegelt von einer Hand aus Eis, die ihn umklammerte und zudrückte.
Er atmete keuchend, und die Kälte schnitt wie mit Messern in seine Lunge. Er spürte, wie sein ganzer Körper taub wurde, so taub, dass er nicht einmal spürte, wie er mit dem Gesicht auf den Boden der Höhle schlug.
Es war keine Dunkelheit, die ihn überkam, sondern eher eine andere Art von Licht. Er stürzte nicht, fühlte jedoch, wie er versuchte, sich irgendwo festzuhalten. Er schloss die Augen. Er wurde taub für die Welt.
Nach einer Weile kehrten Sinne zu ihm zurück.
Aber es waren nicht seine Sinne.
Mit Ohren, die nicht die seinen waren, konnte er sie hören: ein Dutzend Stimmen, knirschend vor Frost, kalt vor Hass. Sie drangen auf eisigen Winden an seine Ohren, flüsterten Worte, die er schon einmal gehört hatte, im Fluss und vor der Höhle.
»... unnatürlich. Der ganze Haufen. Seht euch ihre Augen an. Sie sehen dich an, und alles, was sie erblicken, ist ein Hindernis. Sie würden dich töten, wenn sie auch nur die kleinste Chance dazu hätten. Was kümmerte es sie, dass wir auf derselben Seite stehen? Für welchen Gott kämpfen sie? Nicht für unseren, das kann ich dir versichern...«
»... diese Fibel, die sie schrieben. Was ist damit? All diese Blasphemien darin, die Sakrilege. Sie helfen den Aeons, selbst wenn sie mit uns gegen die Verräter der Himmel marschierten. Auf wessen Seite stehen sie? Man kann ihnen nicht trauen, man kann ihnen allen nicht trauen...«
»... gesehen, was sie dem Priester angetan haben? Er hat nur die Schlacht den Göttern gewidmet. Und sie haben ihn getötet. Aber sie haben ihn nicht einfach nur umgebracht. Sie haben ihm das angetan, was sie auch mit den Dämonen am Strand gemacht haben. So zu sterben ist nicht richtig...«
»... nicht mein Fehler. Wir haben unsere Befehle. Sie hatten ihre Befehle. Sie haben sich entschieden, sie zu ignorieren. Sie werden sich gegen uns wenden, früher oder später. Sie verachten uns. Sie hassen uns. Sie hassen die Götter! Sie müssen sterben. Es ist nicht meine Schuld, dass ich es tun muss...«
Lenk erhob sich, vollkommen erschöpft. Er wusste zwar, dass seine Beine noch da waren, aber er konnte sie nicht fühlen. Er atmete, aber er spürte keine Luft in seinen Lungen. Er setzte sich in Bewegung, ohne zu wissen, wohin er ging, aber sicher, dass er dorthin gehen musste. Sein Schritt war schwach, unbeholfen. Er stolperte, streckte Halt suchend die Hand aus und legte eine Handfläche auf das Eis.
Hass durchströmte ihn.
In seinem Herzen sprach eine Stimme.
»Sie werden dich verraten.«
Er zuckte vor der blanken Wut zurück, die ihn wie Gift durchströmte. Das Eis klammerte sich gierig an seine Handfläche, wollte ihn nicht gehen lassen. Er zog sie fort und ließ Hautfetzen darauf zurück. Er hatte Schmerzen, konnte sie jedoch nicht fühlen.
Er ging weiter, taumelte durch den Gang. Er streifte eine Wand.
»Es liegt in ihrem Wesen. Sie sind schwach. Wie Vieh.«
Qualen; er war sicher, dass er sie empfinden sollte. Aber er hatte keine Zeit, dabei zu verweilen, keine Zeit, Schmerz zu empfinden. Schmerz war Furcht, Furcht war Zweifel, Zweifel ließ selbst den stärksten Willen zaudern und umkehren. Es gab keine Umkehr.
Ein weiterer unsicherer Schritt. Erneut stieß er gegen das Eis.
»Es obliegt der Menschheit, ihr Schicksal selbst zu weben, nicht der Herrschaft der Götter. Sie versuchen, die Sterblichen erneut zu versklaven, diesmal durch Kirchen statt durch Ketten.«
Mehr Schmerz. Mehr Eis.
»Die Fibel wurde geschrieben für den Fall, dass sich das Haus irrte, für den Fall, dass wir Götter und Dämonen vernichten müssten. Sie wurde geschrieben, um der Menschheit zu helfen. Sie aber duckt sich davor, nennt es Blasphemie.
Ein Licht flammte am Ende des Tunnels auf: Es war nicht einladend, kein goldener Leitstern, sondern etwas Harsches, etwas Siedendes, etwas Furcht einflößend Blaues. Er ging
weiter darauf zu, aber die Stimme hörte nicht auf, flüsterte weiter, während die Höhle immer schmaler wurde und sich das Eis um ihn herum zu schließen schien.
»Wir werden es ihnen zeigen. Wir werden es sie lehren. Wir können allein weiterleben, ohne Götter oder Dämonen. Sie alle werden
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