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Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
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die sie studiert und über die sie vieles gelernt hatte. Das Murmeln, das bedeutete, dass ihn ihre Nähe nervös machte, das Nörgeln, das bedeutete, sie hatte etwas gesagt, worüber er nachdachte, obwohl er nicht darüber reden wollte, und das Seufzen, das bedeutete, dass er darüber nachdachte, was sie noch alles über ihn lernen musste.
    Menschen haben keine Gedanken, knurrte sie stumm. Menschen haben nur Bedürfnisse. Menschen gelüstet es nach Gold, nach Land, nach allem, was sie nicht haben. Ihr Vater hatte ihr erklärt, wie Menschen sind.
    Und unter all diesen Gedanken hörte sie das entfernte Schlagen eines Herzens. Das Geräusch eines Herzens, das so heftig schlug, dass es sogar die tosende See übertönte. Das Pochen eines Herzens, das sie aus einer Brust schneiden sollte, das Pumpen eines Herzens, welches den Puls in einer Kehle antrieb, die sie aufschlitzen sollte. Sein Herz, sein pulsierendes, schreckliches Menschenherz, das sie gehört hatte, bevor sie sich getrennt hatten. Sein grauenvolles Herz. Sein menschliches Herz. Das Herz, dessen Schläge sie jetzt hörte.
    Aber das ist nur eine Erinnerung. Der Gedanke kam ihr ganz beiläufig und hallte nur einmal durch ihren Kopf. Das sind nur Geräusche. Er ist jetzt tot.
    Dann waren die Erinnerungen verschwunden und ließen nur diesen Gedanken in ihrem Kopf zurück.
    Er ist tot. Deine Probleme sind gelöst.
    Sie stand auf. Ihre Glieder fühlten sich steif an. Dann kehrte sie dem Ozean den Rücken und blickte nicht zurück.
    Er war tot. Er war ein toter Mensch. Ihre Welt war wieder in Ordnung. Sie empfand nichts für einen toten Menschen. Tote Menschen hatten keinen Herzschlag. Sie war wieder eine Shict.
    Das ist mehr als nur Glück, sagte sie sich. Das ist ein Segen von ganz oben.
    Dieser Gedanke jedoch konnte sie nicht trösten, als sie die Dünen hinaufstieg und sich vom Ufer entfernte.
    Sie war eine Shict. Für sie war alles, was ganz oben war, Riffid.
    Riffid spendete keinen Segen.
     
    »Was ist ein Mensch?«, hatte ihre Tochter gefragt.
    Sie hatte sich mit der Antwort Zeit gelassen.
    »Das hätte dein vater dir erzählen sollen. «
    »Du hast gesagt, vater wüsste nicht, was eine Shict ist.«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Aber du hast es angedeutet.«
    »Und du wunderst dich, dass Leute dich schlagen?«
    »Wenn du die Antwort nicht weißt, sag es einfach, dann finde ich es selbst heraus.«
    »Ein Mensch ist... kein Shict.«
    »Das ist alles?«
    »Das genügt.«
    »Nein, tut es nicht.«
    »Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du verblüffend dickköpfig bist?«
    »Vater hat gesagt, dass sie mir mein Geweih nach meiner Geburt abgefeilt hätten, aber das ist nicht wichtig. Was ist ein Mensch?«
    Sie hatten ihr Dorf verlassen und waren in den Teil des Waldes gewandert, in dem die Erde unter ihren Füßen und ihre Vorfahren eins waren.
    »Menschen sind... anders als wir, und doch irgendwie wie wir.
Sie kämpfen, sie töten, genau wie wir es tun. Und was wir für uns beanspruchen, beanspruchen sie für sich. Unsere Sache ist rechtens. Sie behaupten, ihre wäre es auch. Wir tun, was wir tun müssen. Und sie tun, was sie tun.«
    »Und woher wissen wir dann, dass sie den Tod verdient haben?«
    Sie hatte auf ein Grab gestarrt, das mit langen weißen Trauerfedern geschmückt war.
    »Weil sie wussten, dass wir ihn verdient hatten.«
     
    Sie ging über die Dünen und durch die Täler des Strandes, während die Sonne weiterhin über den Himmel kroch. Immer wieder wurde ihre Aufmerksamkeit von dem Wald in der Ferne angezogen, und kurz danach von ihrem Magen, der wütend knurrte.
    Das Wissen, dass sie dort in diesem dichten Unterholz Nahrung finden würde, nagte ebenso an ihr wie der Hunger, der versuchte, einer schwachen, rasch verwelkenden Hoffnung in ihr die Kontrolle über sie zu entreißen. Sie wusste, dass es klüger wäre, sich jetzt in den Wald zu schlagen und die Suche nach etwas Essbarem so schnell wie möglich zu beginnen. Später war sie für diese Suche vielleicht zu schwach und zu hungrig.
    Trotzdem, sagte sie sich, in einem Wald ist es nicht schwer, etwas Essbares zu finden. Du hattest nie Probleme, Wurzeln und Früchte aufzuspüren. Verdammt, du brauchst nur eine dunkle Stelle zu suchen, wo du vermutlich eine nette, schmackhafte Made finden wirst.
    Die Vorstellung einer zappelnden Made drängte sich in ihren Verstand. Sie schmatzte unwillkürlich. Dass ihr allein bei dem Gedanken an solch ein weiches, zartes und nahrhaftes Babyinsekt das

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