Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
haben keinen Grund, in dem Punkt allzu empfindlich zu sein«, gab Gariath zurück.
»Bei mir kann man diesbezüglich durchaus eine Ausnahme machen«, antwortete Lenk verbissen. »Wenn man bedenkt, dass meine einzige Gesellschaft außer Kataria nur aus einem gigantischen, hässlichen Reptil besteht, das andere gigantische, hässliche Reptilien wie einen Gott behandeln.«
Gariath zuckte mit den Schultern und schnaubte. »Dumm.«
»Dumm? Hast du denn nicht bemerkt, wie sie dich ansehen? Sie hätten sich ihre Lendenschurze abgerissen und sich auf der Stelle selbst kastriert, wenn du das von ihnen verlangt hättest.«
Gariath grunzte. »Zweiunddreißig Atemzüge. Und dumm ist es, weil die Shen keinen Gott haben.«
»Woher weißt du das überhaupt?«, wollte Lenk wissen. »Woher weißt du irgendetwas über die Shen, abgesehen davon, dass sie versucht haben, uns umzubringen?«
»Mich nicht.«
»Noch nicht.«
»Niemals.«
»Das kannst du nicht wissen. Du kannst sie nicht kennen! Was weißt du über sie, was dich glauben lässt, dass sie das nicht tun würden?«
»Sie sind Shen.«
»Und was soll das bedeuten?«
»Alles.«
»Nichts! Das bedeutet nichts, außer dass sie einfach nur Wilde sind. Bestien. Es ist nur eine Frage der Zeit. Du kapierst das nicht einmal. Aber sie. Sie werden sich gegen dich stellen. Sie alle werden dich verraten, und niemand wird hier sein, der dich schreien hört.«
Erst als er sah, wie Gariath vor ihm stand, die Hände zu Fäusten geballt, und ihn aus zusammengekniffenen Augen ansah, wurde ihm klar, dass da gerade eben nicht seine eigene Stimme gesprochen hatte.
»Sie sind Shen«, erklärte Gariath. »Ich bin Rhega. Das ist alles, was ich habe.«
»Du hast uns«, widersprach Lenk.
»Ja, ich habe euch.« Gariaths Lachen klang erstickt vor Verachtung. »Winzige, dumme Schwächlinge, die so zahlreich sind, dass sie das Privileg genießen, sich misstrauisch gegenseitig zu beäugen. Ein winziger, dummer Schwächling, der mir erzählt, sein Leben sei hart, weil er einem anderen winzigen, dummen Schwächling nicht vertrauen kann, weil sie auf andere Dinge hört als er.«
Er trat einen Schritt vor, und Lenk wich einen Schritt zurück.
»Ein winziger, dummer, erbärmlicher Schwächling, der so von seinen eigenen winzigen, schwächlichen, erbärmlichen Dummheiten besessen ist, dass er wirklich glaubt, er könnte mir erklären, es gäbe nichts, das mich glücklich machen würde, und dass ich den einzigen mir auch nur etwas ähnlich sehenden Kreaturen, auf die ich seit Jahren gestoßen bin, nicht vertrauen könnte.«
Er beugte sich hinab. Seine Augen waren hart, und seine Zähne sahen noch viel härter aus. Und waren gefletscht.
»Ich habe dich. Das heißt, ich habe gar nichts.«
Er wandte sich ab.
»Jetzt mach kehrt und verschwinde, bevor mir die Gründe ausgehen, aus denen ich dich nicht in zwei Teile brechen sollte.«
Lenk folgte dieser Aufforderung nicht. Jedenfalls nicht sofort. »Wie viele Gründe hast du denn?«
»Anderthalb.«
Das genügte.
Er verspürte jedoch keine sonderliche Erleichterung, nachdem er den Drachenmann verlassen hatte. Die Stimmen wurden eher wieder lauter, als er den Hang hinabmarschierte, fort von Kataria und Gariath, und in ein kleines Dickicht mit dickem, schwankendem Kelp trat.
»Wahnvorstellungen. Furcht. Ich empfand dasselbe.«
»Niemandem. Traue niemandem.«
»Ich wollte nur, dass sie so sind wie ich.«
»Ich kann das im Moment wirklich nicht gebrauchen«, knurrte Lenk und rieb sich die Augen.
»Oh doch«, gab die Stimme zurück. Die anderen verstummten, fast ehrfürchtig. »Du verstößt jene, die dir helfen wollen, jene, die bei dir sind, die Einzigen, die zu dir halten.«
»Es reden so viele auf einmal, und alle sagen immer und immer wieder dasselbe …«
»Weil du dich weigerst zuzuhören. Weil sie dir helfen können.«
»Und wie erklärst du dann die Stimme, die euch allen widerspricht?«, fragte Lenk. »Die Stimme, die gesagt hat, es würde mit ihrem Tod nicht aufhören?«
»So eine Stimme gab es nicht.«
»Ich habe sie gehört.«
»Ich nicht. Das heißt, du hast sie dir eingebildet.«
Lenk öffnete den Mund und suchte nach einer Antwort. Er hatte irgendwie nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet die Stimmen in seinem Kopf eines Tages seine Zurechnungsfähigkeit infrage stellen könnten. Als er keine Antwort fand, schloss er den Mund, sog scharf die Luft ein und suchte beiläufig nach einem Felsbrocken, der spitz genug war, um sich
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