Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
damit den Schädel aufzuschlagen.
Als er in dem Vorhang aus wogendem Kelp danach suchte, sah er es.
Aus den Augenwinkeln. Eine Bewegung, ein Rascheln von Blättern zwischen dem tranceartigen Wogen des Kelp, ein Schatten, der hinter dem Schleier von grünen Röhren dahinglitt und seine Gegenwart noch nicht wahrgenommen hatte.
Lenks Hand glitt unwillkürlich zu seinem Schwert. Er wusste zwar nicht genau, was da hinter diesem grünen Vorhang lauerte, aber ob es nun ein Shen war oder etwas Schlimmeres, bislang hatte sich vorbeugende Gewalt für ihn noch nie als Fehler erwiesen. Aber bevor er die Klinge auch nur halb aus der Scheide ziehen konnte, erzitterte der Kelp, und die Kreatur kam heraus.
Er spannte sich an, in Erwartung des Angriffs eines Shen, bereit, einem Dämon entgegenzutreten, der ihm irgendwie hierhergefolgt war, darauf gefasst, dass Kataria heraussprang, bereit ihn, Lenk, zu töten. Er rechnete mit allem, nur nicht damit.
Aber genau das war es.
Es hing mitten in der Luft.
Als gehörte es dorthin.
Ein Fisch.
Er flog nicht, trieb nicht einmal dahin, sondern schien einfach nur … Er war einfach da, als schwämme er im Wasser. Sein durchscheinender Schwanz wedelte hin und her, seine Flossen schlugen sacht wie elegante Fächer, seine schwarz-weiß gestreiften Schuppen schimmerten. Er hing dort in der Luft und starrte Lenk mit glasigen Augen an.
Als wäre er, Lenk, derjenige, der ein Problem hätte.
Er schwebte noch einen Moment länger dort, während sein Mund sich öffnete und wieder schloss, als wartete er darauf, dass Lenk irgendetwas sagte.
»Hä?«, grunzte er und blinzelte die Kreatur an.
Geradezu unverschämt unbeeindruckt schwamm der Fisch einen kleinen Halbkreis, wandte sich dann mit einem ziemlich rüden Fächeln seiner Schwanzflosse von Lenk ab und verschwand im Kelp.
Lenk trat vor, obwohl er ganz genau wusste, dass er das hundertprozentig für den Rest seines Lebens bereuen würde. Ebenso klar war ihm, dass es eine ausgesprochen dumme Idee war, seine Hand durch den Schleier des Kelp zu schieben. Aber unter seinen Fingern spürte er keinen dichten, abweisenden Wald. Er holte tief Luft, erfüllt von der Gewissheit, dass es sehr wahrscheinlich klüger war, hierzubleiben und darauf zu warten, dass einer seiner beiden Gefährten ihn umbrachte.
Er trat hindurch.
Die Luft wurde dichter, noch während der Kelp um ihn herum lichter wurde. Er bildete keineswegs eine undurchdringliche Hecke wie zuvor, und es war einfach voranzukommen. Lenk schob die Stängel der wogenden Blätter zur Seite, während er dem Fisch folgte. Aber dafür war das Atmen hier nicht leicht. Die Luft wurde zwar nicht stickig, aber sie verdichtete sich und schien sich einfach nicht entschließen zu können, ob sie ihn ersticken sollte oder nicht.
Trotzdem ging er weiter, vielleicht auch nur, weil es wegen der dickeren Luft leichter war, als einen klaren Gedanken zu fassen. Infolgedessen war es schwieriger, irgendwelche Stimmen zu hören. Während er weiterging, wurde der Kelp noch lichter, bis Lenk schließlich am Rand eines flachen Tals aus den riesigen Algenbäumen heraustrat.
Und als er den Anblick betrachtete, der sich ihm bot, fand er endlich die richtigen Worte.
»Das ist eindeutig … merkwürdig.«
Sie schwammen.
In großen, schimmernden Regenbogen aus Schuppen, schwarzen, roten, goldenen, blauen und grünen Schuppen, schwammen sie umher. In riesigen Strudeln aus silbernen Mündern, die endlos silberne Schwänze in den Himmel jagten, schwammen sie durch die Luft. In langsamen und trägen Wolken aus bunten Farben, übereinander, ineinander, gegeneinander, schwammen sie.
Zu Tausenden. Durch die Luft. Ohne Wasser.
Die Fische schwammen durch den Himmel.
Und zwischen den Schleiern aus bunten Schuppen herrschte ebenfalls reges Treiben. Rochen glitten über den sandigen Meeresboden, während ihre Flossen sacht wie Flügel schlugen. Die Schatten von Haien lauerten am Rand, wo sie geschickt zwischen den Wolken von Fischen dahinglitten und den Unachtsamen auflauerten. Tintenfische glitten elegant durch den Himmel und veränderten ständig ihre Farben, während sie durch die Wolken von Fischen schwebten, als wäre es nicht im Geringsten von Interesse, dass sie sämtliche Gesetze der Schwerkraft außer Kraft setzten.
Die Korallen erblühten in all ihrer bunten, scharfen Pracht. Der Kelp wogte gleichgültig hin und her. Seesterne klammerten sich an spitze Felsen. Krabben huschten über die skelettierten Bäume
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