Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
anderes zu speien. Hier war kein Platz für Magie. Hier war nur der blanke Körper. Und nur die Reinheit der Tat, einem Monster das Leben zu nehmen, indem man es erwürgte.
Und es war tatsächlich eine lautere Tat, fand Lenk. Seine Hände passten vollendet um den Hals des Mannes, dessen Luftröhre er unter seinen Fingern so deutlich fühlte wie eine Säule. Er konnte seine eigenen Augen in dem entsetzten Blick des Mannes sehen, nahm wahr, wie seine Pupillen ihn anstarrten. Er sah, wie seine eigenen Finger grau wurden, ahnte, wie die Farbe von seinen Armen und seinem Gesicht wich. Er spürte, wie sein Körper taub wurde, wie die Wärme ihn verließ und die bittere, tröstende Kälte ihn wie eine Decke umhüllte.
Und er spürte ebenfalls diesen Teil von sich, diesen kleinen und wütenden Teil, der immer weiter in ihm heranwuchs. Es fühlte sich gut an, das wieder zu empfinden.
»Er stirbt.«
Diese betäubende Kälte.
»Er ist schwach.«
Diese bittere Stimme.
»Und wir können nicht aufhören.«
Dieser Tod in seinem Mund.
»Ist dir jemals aufgefallen, wie leicht wir davonlaufen?«
Eine andere Stimme. Eine leise Stimme. Diese Stimme gehörte zu einem anderen Teil von ihm, der nur schwach in ihm sprach. Aber sie war hartnäckig. Sie redete weiter.
»Mittlerweile solltest du jetzt eigentlich etwas für dich selbst tun.«
Es bereitete ihm Unbehagen, das zu hören.
»Wenn du noch weglaufen willst, kannst du so nicht weitermachen.«
Sie wollte einfach nicht verstummen.
»Wenn sie dich jetzt sehen würde …«
Dann würde sie schreien.
Er ließ los.
Ohne zu wissen, warum, ließ er den Mann frei. Ohne zu wissen, wie es geschah, fiel er atemlos auf den Hintern und spürte eine fiebrige Hitze in sich aufsteigen. Und ohne zu wissen, mit wem er es zu tun hatte, sah er zu, wie der Mann keuchend hustete und sich aufrappelte, wie seine Augen rot aufglühten, als er seine Handflächen ausstreckte und ein Wort aussprach.
Das Feuer in seiner Hand flammte auf und erstarb im selben Moment, erlosch in einer Rauchfahne, als ein Pfeil ihn in die Schulter traf. Es war kein Pfeil der Shen. Dieser Pfeil hatte eine schwarze Fiederung. Dieser Pfeil sang ein wütendes Lied und grub sich tief in die Schulter des Niederling. Dieser Pfeil war vom Rand des Ringes abgefeuert worden.
Lenk nahm sie kaum wahr, als sie aus dem Wald gestürmt kam, den Bogen in ihren Händen und ihre Pfeile mit wütenden Liedern vorausschickend. Sie war eine Kreatur aus schwarzer Asche und blutiger Haut und roter Kriegsbemalung. Ihre riesigen Reißzähne hoben sich groß und weiß von der düsteren roten Maske ab, die jeden Flecken ihrer nackten Haut bedeckte.
Vielleicht war Kataria am Leben. Vielleicht war Katarias wütender Geist zurückgekehrt, um ihn zu retten. Oder aber um ihn mit sich zurück in die Hölle zu nehmen.
Aber zuerst würde sie sich um den Mann kümmern.
Ihre Pfeile gruben sich in seinen Körper, bettelten mit pfeifenden Klagelauten um ein weiches Stück purpurner Haut, um sich hineinzugraben. Der Mann sprach Wort um Wort, hob die Hände und verwandelte die schimmernde Luft in unsichtbare Mauern, um ihre Schüsse abzuwehren. Aber Kataria ließ nicht nach, und er kam nicht dazu, Atem zu holen. Ein Pfeil würde am Ende durchkommen.
Doch dann griff sie in ihren Köcher, und ihre Finger tasteten ins Leere.
Der Mann holte Luft und stieß ein einzelnes vernichtendes Wort aus. Dann richtete er zwei Finger auf sie. Elektrizität flammte auf, lief seinen Arm hinab und in seine Fingerspitzen. Sie nahm etwas von ihrem Gürtel und schleuderte es auf ihn. Etwas Glänzendes. Etwas Goldgelbes.
Er verdrehte seinen Arm im letzten Moment, als das Ding durch den Himmel auf ihn zuflog. Der Blitz zuckte mit einem Donnerschlag und einem blauen Leuchten aus seinen Fingern. Glas explodierte am Himmel, und Scherben fielen wie Sterne auf den Boden. Die Flüssigkeit, die ihnen in einem gelben stinkenden Regenschauer folgte, war ganz entschieden weniger elegant.
Einen Augenblick lang schien der ganze Ring zu verstummen. Die Schlacht war plötzlich zu weit entfernt, als dass man sie hätte hören können. Die Welt schien den Atem anzuhalten. Der Mann hatte den Mund einen Spalt geöffnet. Seine weißen Augen waren weit aufgerissen und blickten starr nach oben, als kleine Rinnsale über seine Stirn und seine rot gekleideten Schultern liefen.
Dann begann er zu schreien.
Er kreischte unaufhörlich, bis er keine Luft mehr hatte, schrie weiter, gepackt von
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