Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
ist.«
Kataria sah sie einen langen, schmerzhaften Moment nur an. Ein Augenblick, der sich dehnte, so lange, bis ihr klar wurde, dass dieser Schmerz nicht vom Blick der Shict herrührte, sondern von dem Zittern ihres Kinns, als sie versuchte, die Kiefer fest geschlossen zu lassen.
»Du solltest ihn töten«, presste Asper zwischen den Zähnen hervor. »Du sagtest, du würdest ihn töten.«
»Hab ich aber nicht.«
»Du solltest es aber …«
»Ich habe es aber nicht getan!«, fauchte Kataria. »Und jetzt kann ich es erst recht nicht mehr tun. Ich weiß nicht, ob ich jemals dazu in der Lage sein werde.« Sie deutete auf den Langdolch, den die Priesterin in die Schärpe ihres Gewandes gesteckt hatte. »Und der da wird dir weit weniger nützlich sein, als du glaubst.«
»Der ist nicht für ihn gedacht«, antwortete Asper.
»Ich weiß sehr gut, wofür du ihn benutzen willst.« Die Shict legte die Ohren an. »Was auch immer es sein wird, das ihn oder dich tötet … es werden weder ich noch diese Klinge sein.«
»Was dann?«
Kataria nahm noch einen großen Schluck Wasser. Dann sah sie Asper an, ohne etwas zu sagen. Sie richtete den Blick auf das Schlachtfeld und sagte immer noch nichts. Es war weder vielsagendes Schweigen noch bedeutungsvolle Stille. Es war einfach nur keine Antwort.
Asper merkte, dass der Tiegel leer war. Der letzte Rest Kohlensalbe schimmerte auf Katarias geröteter Haut. Sie legte den Tiegel in ihren Beutel zurück und streifte ihn sich über die Schulter.
»Ich sollte zur Barrikade hinuntergehen«, sagte sie. »Möglicherweise gibt es dort noch mehr Verwundete.«
Die Priesterin ging, ohne dass sie ein weiteres Wort miteinander wechselten.
Kataria hatte nichts dagegen, es dabei zu belassen. Sie hätte die Priesterin natürlich darauf hinweisen können, dass es niemals »Verwundete« unter den Shen gab, sondern nur Tote und Lebende, die die Toten beneideten. Sie hätte Asper zum Bleiben überreden und mit ihr darüber sprechen können, wie sie sich fühlte, nachdem sie von Sheraptus’ Rückkehr erfahren hatte. Sie hätte ihr sagen können, dass er vollkommen unversehrt war und dass das, was die Priesterin ihm angetan hatte, nicht gereicht hatte. Vielleicht hätte sie sich dann sogar besser gefühlt, was ihr eigenes Versagen bei dem Versuch, ihn zu töten, anging.
Als sie das Geräusch von Staub hörte, der sacht auf den Stein niedersank, spitzte sie die Ohren. Ihre verbrannte Haut kribbelte, als sie das Gefühl überkam, beobachtet zu werden. Sie knirschte mit den Zähnen, während sie aufstand und sich zu der verwelkten, verfallenden Kreatur umdrehte, die ein paar Stufen über ihr stand.
»Du lebst«, bemerkte Mahalar. Er klang nicht sonderlich erleichtert.
»Im Gegensatz zu Yaike und seinen Gefährten«, erwiderte sie. Ohne sonderlich viel Mitgefühl.
»Ihr Verlust lastet schwer auf mir.«
»Warum hast du sie dann dorthin geschickt, in ihren sicheren Tod?« Als er fragend die Augenwülste hob, lachte sie leise. Es klang eine Spur hysterisch. »Du hast Shalake angewiesen, mich Sheraptus allein angreifen zu lassen. Shalake hat zugestimmt. Ich habe gesehen, wie er dich ansieht. Er hätte sie niemals gegen deinen Wunsch dorthin geschickt.« Sie deutete mit einem Finger auf ihn. »Also hast du es dir anders überlegt und deine Wünsche geändert.«
»Das war kein Wunsch. Ich habe Yaike gefragt, ob er uns alle retten wolle. Er hat seine Krieger genommen und dorthin gebracht, um genau das zu tun.«
»Und wie? Indem er in einen Hinterhalt gelaufen ist? Indem er unsere sämtlichen Überlebenschancen zerstört hat? Ich hatte ihn vor der Nase. Ich hätte Sheraptus getötet, und dann hätten wir es jetzt mit einer Horde von unorganisierten, führerlosen Bestien zu tun, statt mit …« Sie deutete mit der Hand auf das Schlachtfeld. »Statt mit dem da.«
»Was auch immer zerstört worden ist, es war dein Werk.« Seine Stimme klang nicht ärgerlich. Er sprach kühl und sachlich und stieß dabei Staubwolken aus. »Du hättest eigentlich nicht überleben sollen.«
»Es gibt einen Grund, warum es nicht als wirklich sinnvolle militärische Strategie gilt, seine eigenen Leute zu opfern, verstehst du? Und zwar hauptsächlich deshalb, weil das vollkommen dumm ist und dazu führt, dass die Überlebenden deiner eigenen Leute zurückkommen und dir die Seele aus dem Leib prügeln.«
Mahalar ignorierte sie nicht nur, sondern tat so, als wäre sie durchsichtig. Seine dumpfen gelben Augen schienen durch sie
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