Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
nur hinter einem Portal aus Worten einsperren.«
Er seufzte, seufzte die Jahrhunderte in die Dunkelheit hinaus.
»Und du hast den Schlüssel zu dem Portal hierher zurückgebracht, Bruder.«
Lenk warf einen Blick in seinen Umhängebeutel. Selbst in dieser Dunkelheit, selbst in der Tasche ließ sich das Schwarz des Umschlags der Fibel nicht verbergen. Allenfalls schien die Fibel noch dunkler, schwerer, bedeutungsvoller zu werden. Fast wie ein eifriges Kind, das die Ohren spitzt, wenn es merkt, dass jemand über es spricht.
»Diese Fibel … Du hast sie geschrieben?«
»Vor langer Zeit. Er wusste, dass die Götter eines Tages herausgefordert werden müssten, so wie die Dämonen, er wusste, dass man Tyrannen niemals gegen Tyrannen austauschen konnte. Er befahl uns, dieses Buch zu schreiben, mit allem Wissen über Dämonen und die Welt der Sterblichen, und alles, was sie über Furcht und Hoffnung wussten. Sie sollte auf immer in unseren Händen bleiben.«
Er lachte. Es klang wie berstendes Eis.
»Er hatte recht. Deine Hände sind die einzigen, die noch übrig sind, Bruder.«
»Und was soll ich deiner Meinung nach mit der Fibel anfangen?«
»Es gibt keine Antwort darauf, Bruder, denn es gibt keine Frage. Es gibt nur Gewissheit und seinen Willen. Du wirst die Fibel so einsetzen, wie es dir vorherbestimmt ist, wie sein Wille dich führen wird.«
»Und wenn ich mich weigere?«
»Verweigerung ist eine klägliche Verteidigung gegen das Unausweichliche, Bruder. Alles, was er verkündet, wird geschehen. Er, der Gott der Götter, hat uns unsere Pflicht auferlegt, also haben wir sie erfüllt. Er befahl uns zu töten, und wir haben getötet. Er sagte voraus, dass man uns verraten würde, und wir wurden verraten, wie auch du wusstest, dass du verraten werden würdest.«
Lenk sah sich nicht um. Aber das nützte nichts. Er fühlte den Schmerz in Katarias Blick ebenso scharf, als hätte sie ihm einen Dolch in den Rücken gerammt.
»Das war Angst. Dieselbe Angst, die jeder Mann aus Fleisch und Blut empfinden würde.«
»Es war Gewissheit.«
»Wäre es gewiss gewesen, hätte ich es akzeptiert.«
»Verleugnung ist ein wirkungsloser Schild, Bruder.«
»Und eine großartige Waffe. Führt man sie hart genug, dann vermag sie so ziemlich alles zu zertrümmern. Vor allem Gewissheit.«
»Wir haben dich gehört, als du deinen Fuß auf dieses Eiland gesetzt hast. Wir haben deine Ängste durch ihn gehört, und sie haben sehr laut geschrien.«
»Und was hört ihr jetzt?«
Der Mann schwieg.
»Ich habe ihn weggeschickt«, sagte Lenk. »Ich habe alles zurückgewiesen, was er mir angeboten hat, habe alles abgelehnt, was er forderte. Ich bin frei von ihm.« Er spürte den Schmerz in seiner Schulter und unterdrückte den Impuls hinzufassen. »Ich bin frei von diesem Herrscher.«
»Er herrscht nicht. Er spricht. Er segnet uns, sagt uns, was getan werden muss, und verleiht uns die Kraft, es zu tun.«
»Das klingt nach irgendeinem beliebigen Tyrannen, der sich nur die Maske der Güte aufsetzt.«
»Möglich. Vielleicht wusste er aber auch, dass dies der Preis war, den wir für den Rest der Menschheit zahlen mussten. Es ist eine große Macht, Bruder. Sie forderte einen Preis, den wir bereitwillig gezahlt haben.«
»Ich nicht.«
»Dann wirst du sterben.«
»Noch lebe ich.«
»Noch hast du es nicht akzeptiert.«
»Du redest davon, dich von Göttern und Herrschern zu befreien, und im gleichen Atemzug sprichst du über Unausweichlichkeit und Schicksal.«
»Das ist nicht dasselbe. Er kommt nicht einfach zu uns und sagt uns, dass all dies so sein muss. Wir haben dasselbe gefühlt wie du, dieselbe Furcht empfunden, denselben Zwang, dasselbe Wissen gehegt, dass jene um uns herum uns verachteten, uns hassten und fürchteten. Er kommt nicht zu uns, Bruder. Wir rufen ihn, ob wir es nun wissen oder nicht.«
Lenk warf einen Blick auf Kataria. Instinktiv. Verschämt. Er sah sie an und versuchte sich selbst davon zu überzeugen, dass es die Stimme in seinem Kopf gewesen war, die all diese Dinge über sie gesagt hatte, die ihm eingeredet hatte, dass sie ihn töten würde. Er sah sie an und formulierte mit den Lippen geräuschlos den Satz: »Das war nicht ich.«
Sie sah ihn einfach nur an. Er konnte ihren Blick nicht ertragen.
»Ich bin hierhergekommen, um die Fibel in Sicherheit zu bringen«, meinte Lenk und drehte sich wieder zu dem Mann in dem eisigen Sarg herum. »Gibt es nun einen Weg hier heraus oder nicht?«
» Wandle unter deinen
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