Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
Denkweise gefolgt, die die alten Gründe aufzählte, die in alten Geschichten überliefert wurden. Der Denkweise, die behauptete, Menschen wären eine Seuche, welche Shict und Land gleichermaßen bedrohten und die deshalb sterben mussten.
Solange sie konnte, hatte sie daran geglaubt.
Aber damit war es vorbei. Die alten Geschichten waren ihr nie so logisch vorgekommen, wie es hätte sein sollen. Die alten Gründe hatten nie genug Gewicht gehabt. Und die alte Denkweise hatte ihr nur Bauchschmerzen verursacht, die jedes Mal stärker wurden, wenn sie Lenk ansah und er ihren Blick erwiderte.
Und sie beide erinnerten sich an jene Nacht, als er ihr in die Augen gesehen hatte, mit einer Klinge am Hals, und nach ihr gerufen hatte.
Sie hatte ihm die kalte Schulter gezeigt.
Aber hier geht es nicht um ihn, redete sie sich ein, als sie ins Tageslicht zurückschlich. Nein, nein. Es geht um dich und das, was du darüber weißt, wie eine Shict ist und was du bist und wen du töten musst und was du tun musst und wie oft du dir das einreden musst, bevor du es endlich glaubst.
Zumindest wurde es einfacher.
Das Tageslicht begrüßte sie. Die Sonne stieg hoch in den Himmel, als ein wütender heller Morgen die Oberhand über das Morgengrauen gewann. Als sie aus der Finsternis des Waldes trat, wurde sie von der Reflexion der Sonne im Sand fast geblendet.
Aber sie war nicht so geblendet, dass sie das geschäftige Treiben auf dem Strand hätte übersehen können. Beim Anblick dessen, was dort passierte, konnte auch die Sonne Katarias aufsteigende Furcht nicht unterdrücken.
Im Zentrum des Geschehens stand das von ihnen gerettete Beiboot, das gerade repariert wurde. Sie versuchten nach Kräften, es wieder seetüchtig zu machen, wobei ihnen schuppige Helfer geschickt zur Hand gingen. Die Echsenmänner, die Gonwa, arbeiteten fleißig. Sie glätteten das raue Holz, prüften den Sitz des Mastes, sicherten das Ruder. Sie arbeiteten geradezu übereifrig, offenbar ängstlich bemüht, dieses Schiff und seine Passagiere endlich aufs Meer hinauszuschicken.
Kataria vermutete, dass sie darüber eigentlich beleidigt sein sollte. Denn schließlich sollte besagtes Schiff sie zum Schlund einer Insel bringen, deren Position nur den fleischfressenden Seeschlangen und den mörderischen Echsenmännern bekannt war, die dort lebten.
Noch ist es nicht zu spät, dachte sie, während sie durch den Sand zu der Baustelle trottete. Du könntest sie immer noch töten und weglaufen. Sie dürften kaum damit rechnen. Das heißt, Lenk vielleicht … Immerhin wolltest du ihn vor etwa einer Woche noch umbringen. Aber das wissen nur zwei.
Von denen einer gerade seine schwere Hand mit den großen Krallen auf ihre Schulter legte.
Zugegeben, angesichts dessen, was Gariath mit seinen Klauen anstellen konnte, hätte sie ihn vielleicht nicht anfauchen sollen, als er sie mühelos zu sich herumdrehte. Vor sich sah sie nur seine riesige Brust, und sie musste den Kopf in den Nacken legen, um in seine schwarzen Augen blicken zu können.
Er sah mit einem kalten Blick auf sie herunter. Seine schwarzen Augen lagen tief im Kopf unter zwei Hörnern und über einer Schnauze, in der scharfe Zähne blitzten, als er knurrte.
Selbst im besten Fall brauchte Gariath keinen Grund, um jemanden zu töten, nicht einmal jemanden, der seiner sehr vagen Definition eines »Gefährten« entsprach. In ihrem Fall hatte er sogar einen ganzen Haufen von Gründen. Angefangen von ihrem mittlerweile aufgegebenen Plan, den einzigen Menschen zu töten, den er halbwegs respektierte, bis zu der Tatsache, dass sie Zeugin geworden war, wie er mit unsichtbaren Wesen redete. Sie fragte sich unwillkürlich, und das nicht zum ersten Mal, warum er sie nicht schon längst zerquetscht hatte.
Aber solche Gedanken äußerte sie in diesem Moment natürlich nicht laut. Und als er ihr nur seinen Arm entgegenstreckte, schätzte sie sich glücklich.
»Da«, knurrte der Drachenmann.
Das lange Objekt baumelte bedrohlich in seiner Hand, bevor er es ihr in die Arme fallen ließ. Sie ging unter dem Gewicht des Gegenstandes in die Knie und konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten.
»Was ist das?«, erkundigte sie sich.
»Das, wonach du verlangt hast.«
Sie betrachtete das Objekt. Ein Speer … oder eine Harpune? Schwer zu sagen; die Kombination aus verrostetem Metall und uraltem Holz erlaubte nur vage Rückschlüsse auf den Zweck der Waffe. Sicher schien allerdings, dass man damit zustechen konnte.
Und genau so
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