Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
etwas hatte sie verlangt.
»Ich muss dich wohl daran erinnern, dass dieses Ding in eine Seeschlange gebohrt werden soll, die die Größe eines Baumstammes hat.« Sie hob die massige Waffe an; ein langer Holzsplitter löste sich knackend und fiel zu Boden. »Wir wollen sie aufspießen und ihr keine Splitter ins Fleisch jagen.«
»Dein Plan«, grunzte Gariath.
Sie trat zweimal zur Seite, als er sich an ihr vorbeidrängte; das erste Mal wegen seiner ungeheuer breiten Schultern und ein zweites Mal wegen seiner Flügel, die er fest auf den Rücken gefaltet hatte. Aber sie hatte seinen großen Schweif vergessen, der unter seinem Kilt hervorragte. Er zuckte hinter ihm durch den Sand und traf ihre Wange. Der Schlag war so kräftig, dass sie knurrte. Trotzdem war er längst nicht so hart, wie er hätte sein können. Er sollte sie nur daran erinnern, wie gefährlich es war, ihm nicht weit genug aus dem Weg zu gehen.
»Wenn dir nicht gefällt, was ich gefunden habe, dann besorg dir selbst etwas.«
Er deutete mit der Hand über seine Schulter. Sie musste nicht besonders lange suchen, um zu erkennen, worauf er gezeigt hatte.
Es starrte sie förmlich an.
Angesichts der Vielzahl von Schädeln, die diese Insel übersäten, sollte sie sich eigentlich an den Anblick von gewaltigen leeren Augenhöhlen gewöhnt haben; die zertrümmerten Kiefer und gebrochenen Schädel verblassten dazu im Vergleich. Trotzdem, man gewöhnt sich nie daran, das Skelett einer zehn Meter langen unheiligen Kombination aus Mensch und Fisch vor sich zu sehen.
Und das war nur eine makabere Eigenart dieses Friedhofs; denn genau das war dieser Strand. Zerbrochene Wurfgeschosse übersäten die Landschaft. Rostige Speere lagen zwischen Rippen, von denen schon lange das Fleisch weggefault war. Zertrümmerte Reste von Katapulten lagen im Sand, deren Munition sich in den klaffenden Löchern der dämonischen Schädel befand. Am seltsamsten waren die Monolithen: große Gestalten in Umhängen, heilige Symbole von in Stein gemeißelten Göttern ohne Gesichter. Sie standen schief auf verrosteten Metallständern oder lagen geborsten im Sand.
Das hier war das Schlachtfeld des Krieges, auf dem die Sterblichen mit den Äonen, den verderbten Dienern der Götter, um die Vorherrschaft gekämpft hatten. Von der Schlacht war bis auf diesen Friedhof nichts übrig geblieben.
Dieser Friedhof, dachte sie, und die Fibel. Weshalb wir ja überhaupt nach Jaga segeln. Was wiederum zu dem Plan geführt hat und zu diesem Speer … zu dem rostigen, verfaulten Speer … Sie blinzelte. Dir ist schon klar, dass die Chancen, dass dieser Plan dich umbringt, erheblich sinken, wenn du sie vorher tötest?
Sie ignorierte den Gedanken – was ihr tatsächlich immer leichter fiel.
»Die Shict ist verrückt.«
Sie sollte das hören. Der Zusammenhang von Taktgefühl und Lautstärke war den Gonwa nicht bekannt, und schon gar nicht ihrem Anführer.
Hongwe, der große, schlanke, sehnige und schuppige Hongwe, schüttelte den Kopf, während er die Arbeiten an dem Schiff beobachtete. Er kratzte sich den Schuppenbart, der unter seinem Kinn baumelte, und presste zischend die Luft zwischen den Lippen heraus, während sein langer Schwanz hinter ihm zuckte.
»Vollkommen wahnsinnig«, murmelte er.
»Ich kann dich hören, das weißt du schon, oder?«, sagte sie.
»Gut«, erwiderte der Gonwa. Er drehte sich zu ihr herum und starrte sie aus seinen zusammengekniffenen gelben Augen über der stumpfen Schnauze an. »Es ist besser, dich daran zu erinnern und mein Gewissen zu erleichtern, bevor du beschließt, Selbstmord zu begehen.«
»Hör zu, mir ist klar, dass wir uns erst seit einer Woche kennen«, erwiderte sie und ächzte vor Anstrengung, als sie den Speer gegen das Schiff lehnte. »Aber zu versuchen, uns selbst umzubringen, ist eine unserer liebsten Beschäftigungen.«
»Manchmal versuchen wir auch, einander umzubringen«, polterte Gariath und stellte sich neben Hongwe.
»Richtig, manchmal schon.« Kataria entging das wissende Funkeln in seinen Augen nicht.
»Ich sage es gern noch einmal«, meinte Hongwe. »Die größte Bedrohung für euch hat weder Zähne noch Pfeile.« Seine Stimme klang scharf und drohend. »Die shenni-sah-nui, die Große Graue Wand, ist ein Riff mit so scharfen, spitzen Steinen und wird von so dichtem Nebel verhüllt, dass niemand, weder Mensch noch Gonwa oder Owauku, den Felsen sieht, der ihn aufspießt. Niemand kommt daran vorbei, außer den Shen.«
»Und den Akaneeds«,
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