Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
einen kräftigen Wangenknochen. Aber niemals in ihr Auge; beide wussten, dass diese Fassade sehr bald in winzige, nutzlose Stücke zerfallen würde.
Und die Knochen des Abschaums würden folgen.
»Ich bin hier …«, Asper machte eine winzige, einen Hauch zu lange Pause, »um dir die Sterbesakramente zu verabreichen.«
Xhai starrte sie ausdruckslos an. Die hier war ihren Hass nicht wert.
»Um dir die Möglichkeit zu bieten«, fuhr der Abschaum fort, »zu bereuen und Sühne zu tun, vor mir und deinen …« Sie hielt inne und verschluckte ein Wort. »Vor dir selbst. Für die Sünden, die du begangen, und die Leben, die du gestohlen hast.«
Xhai blinzelte.
»Wenn du irgendetwas zu sagen hast …«
»Schick den Mann rein.«
»Den …« Der Abschaum stotterte, fuhr zurück und wirkte fast beleidigt. »Wen? Denaos?«
»Er braucht keinen Namen. Schick ihn rein.« Sie hob den Kopf und schnaubte verächtlich, obwohl der Abschaum nicht einmal das wert war. »Du bist nicht diejenige, die mich tötet.«
»Nein, ich … ich bin hier, um dir etwas anderes anzubieten …«
»Das brauche ich nicht.«
»Jedem muss die Möglichkeit gegeben werden, seine Reue kundzutun.«
»Wegen des Diebstahls von Leben«, antwortete Xhai. »Ich habe dich gehört. Du bist nicht dumm, weil du dich irrst, sondern du irrst dich, weil du dumm bist. Leben kann man nicht stehlen.«
Bei diesen Worten kniff der Abschaum die Augen zusammen. Ihr Schrecken verwandelte sich in Zorn, ähnlich dem, der heiß und bedrohlich auch in Xhai hochstieg.
»Ach nein? Also haben sie dir einfach ihr Leben geschenkt?«, erkundigte sie sich. »Vielleicht, weil sie den vollkommenen Mangel von so etwas wie einer Seele in dir so überwältigend charmant fanden?«
»Leben wird dir in dem Moment geschenkt, wo du kreischend und blutüberströmt aus dem Mutterleib herauskommst. Ob irgendjemand es dir später nimmt oder nicht, liegt allein bei dir.«
»Das ist schwachsinnig.«
»Ich weiß nicht, was dieses Wort bedeutet.«
»Im übertragenen Sinne oder …?« Asper stand abrupt auf, hob verzweifelt die Hände und wandte sich ab. »Nein, bemüh dich nicht. Ich werde deinen giftigen Worten nicht länger zuhören.«
»Also glaubst selbst du, dass du nicht hier sein solltest. Schick den Mann rein!«
» NEIN !«
Der Abschaum wirbelte herum. Ihre Blicke begegneten sich, bohrten sich ineinander. Diesmal jedoch gab der Abschaum nicht nach. Die Schwäche war immer noch da, gewiss, und sie wurde mit jedem Augenblick größer. Ihr Blick zitterte und bebte und wurde feucht wie bei jedem schwachen Wesen, aber sie wandte ihn nicht ab.
Trotzdem wurde Xhai nicht wütend, bis der Abschaum anfing zu sprechen.
»Ich will nicht behaupten, dass ich ihn verstehe. Oder das, was er tut, oder die Gründe für sein Handeln«, meinte Asper. Das Zittern ihrer Stimme wurde durch ihre Wut gedämpft, wenngleich sie es auch nicht ganz zu unterdrücken vermochte. »Ich behaupte nicht zu verstehen, warum ein Mann wie er überhaupt existiert, aber es geht hier nicht um ihn. Sondern um die Tatsache, dass ausgerechnet er dich nicht töten will.«
Etwas Heißes, Wütendes keimte tief in Xhais Schädel auf. Es nagte in ihrem Kopf und ließ sie die Augen zu Schlitzen zusammenziehen. Es fraß sich langsam ihr Rückgrat hinab, war in ihrem laut dröhnenden Herzen. In ihren Armen, deren Muskeln zuckten und sich nach Freiheit sehnten, nach dem Gefühl, hundert zierliche Knochen in acht purpurnen Fingern zu fühlen und sie nacheinander zu brechen und erst dann aufzuhören, wenn dieser schwache und dumme Abschaum ihren eigenen Kot schmecken konnte, während er noch in ihren Gedärmen war.
Xhai zuckte, wand sich, wandte den Blick ab. Es war ein höchst unbehagliches Gefühl. Sie war eine Niederling, geboren aus dem Nichts, um in das Nichts zurückzukehren. Dazwischen war ebenfalls Nichts. Sie hatte bereits getötet. Wie es ihrer Natur entsprach.
Doch dass sie diesen Abschaum töten wollte, dass sie wollte, dass diese Person litt und starb, noch während sie sprach, noch während sie schwache, dumme, wahnsinnige und dreckige Worte sprach …
Sehr wahrscheinlich gab es ein Wort, das beschrieb, was sie empfand. Vielleicht gab es auch ein Wort dafür, was sie dem Abschaum antun würde. Die Stricke hinter ihr knarrten, als sie sie mit ihren Handgelenken zu zerreißen versuchte.
»Es sollte mich nicht kümmern«, erklärte Asper. Sie kehrte der Niederling erneut den Rücken zu, um Mut zu fassen. »Und es
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