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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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verbergen. Sie traten auf dem schmalen Treppenabsatz nervös von einem Fuß auf den anderen, tauschten schnelle Blicke und starrten immer wieder nach unten und nach oben, bereit,die Flucht aufs Dach anzutreten, falls Gefahr im Verzug wäre.
    Zu Hause in Altona waren die drei Jungen nicht so leicht einzuschüchtern. Dort war ihr Revier, dort waren ihnen jeder Stein und jede Straßenecke vertraut. Hier jedoch, im fremden Barmbeck, kannten sie sich nicht aus, und mit dem sicheren Instinkt von Straßenkindern wollten sie nur noch weg, bevor die Falle, die sie nicht sehen konnten, zuschnappte.
    Auch Oliver wurde jetzt unsicher. Seit einer halben Stunde klopfte er gegen die Tür der Krögers. Drei Mal, dann eine Pause, dann wieder drei Mal. Nichts rührte sich. Bei den ersten paar Versuchen hatte er die Freunde noch unten im lichtlosen Hinterhof gelassen, für den Fall, einer der beiden Erwachsenen würde öffnen. Dann hätte Oliver allein auf den Dachboden verschwinden können. Als sich in der Wohnung jedoch nichts rührte, waren Paul, Harry und Olaf nach oben gekommen.
    Â»Vielleicht schläft sie«, sagte Oliver jetzt unbestimmt. »Sie hat das Klopfen bloß noch nicht gehört. Bestimmt kommt sie gleich.« Er wusste, er machte sich selbst etwas vor. Leni war blind, aber sie konnte sogar hören, wenn in der Wohnung unter ihr eine Maus über die Dielen trippelte, genauso wie sie riechen konnte, wenn der alte Kröger wieder getrunken hatte, obwohl er noch im Treppenhaus war. Nein, entschied Oliver, Leni hätte mich längst hören müssen. Eigentlich war er jetzt ein bisschen böse auf sie. Es hatte ihn so viel Mühe gekostet, die Entführung zu organisieren, und er hatte sich in der Rolle des heldenhaften Retters gefallen. Er hatte sich schon vorgestellt, wie Greta dankbar in Tränen ausbrechen und wie Mathilde ihn vorlauter Rührung für alle Zeiten von der Schule befreien würde. Und Siggo sollte ihm dann eine richtige feste Anstellung anbieten, und eines Tages würde er ein erfolgreicher Fuhrunternehmer sein. Oh ja, Oliver gefiel sich sehr gut in seiner Rolle. Ein bisschen Robin Hood, ein bisschen Jim Hawkins aus der »Schatzinsel«, ein bisschen der furchtlose Ritter Lancelot.
    Im nächsten Augenblick schämte er sich, und er rief sich schnell ins Gedächtnis, dass es hier einzig und allein um die unglückliche Leni ging.
    Wieder klopfte er drei Mal gegen die Wohnungstür. Wieder machte er eine Pause, klopfte erneut, drückte dann sein Ohr gegen das rissige Holz.
    Nichts.
    Keine leichten Schritte, kein noch so leises Rufen. Nur Stille. Totenstille.
    Oliver schauderte heftig. Die Furcht der Freunde griff auf ihn über.
    Â»Wir verschwinden jetzt«, gab Paul bekannt. Es war ein Befehl, dem Harry und Olaf nur zu gern nachkamen. Mit zwei, drei Sprüngen erreichten sie den Treppenabsatz unter ihnen und schauten zu Oliver hinauf.
    Â»Nun komm schon!«, rief Paul.
    Zögernd entfernte sich Oliver von der Tür. Er ging eine Stufe hinunter, dann noch eine.
    Warum er dann doch stehen blieb und sich wieder umdrehte? Er vermochte es später nicht mehr zu sagen. Ihm war, als hörte er eine Stimme nach ihm rufen, Lenis Stimme, obwohl alles still war. Ihm war, als berührte ihn ein Engelsflügel, obwohl er hier oben ganz allein war. Was auch immer in diesem Moment mit ihm geschah, Oliverwürde nie jemandem davon erzählen, und selbst würde er alles daransetzen, es zu vergessen. Er fand es nämlich ziemlich gruselig, was da passierte.
    Nun jedoch gehorchte er dem stillen Ruf und kehrte nach oben zurück.
    Â»Oliver!«, rief Paul. »Was soll das? Wir wollen endlich abhauen.«
    Â»Kommt sofort wieder zurück, ihr Feiglinge! Leni ist zu Hause. Sie hat gerade nach mir gerufen.« Das war nicht wirklich gelogen, fand er.
    Â»Du spinnst«, meinte Paul, kehrte aber mit den anderen beiden im Schlepptau zu Oliver zurück. »Ich habe gar nichts gehört.«
    Â»Du warst ja auch weiter weg.«
    Paul hob die Schultern. »Und was jetzt?«
    Â»Wir müssen die Tür aufbrechen«, entschied Oliver, obwohl ihm schon bei dem Gedanken daran seine Schulter weh tat. »Vielleicht finden wir irgendwo einen großen Pflasterstein oder …«
    Paul grinste plötzlich von einem Ohr zum anderen. »Der Hosenscheißer hat von nichts eine Ahnung«, sagte er zu Harry und Olaf, die ebenfalls

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