Die Tortenbäckerin
mehr. AuÃer vielleicht davor, Greta zu verlieren.
»Vater«, sagte er, und es klang mehr nach einem Knurren. »Was sagt Eberle?«
Erik musterte seinen Sohn aufmerksam, dann zuckte er mit den Achseln. »Der Weinhändler will seinen Kundenkreis über die Elbe bis hinunter nach Harburg erweitern, und wir sollen den Transport übernehmen. Im Moment ist das noch nicht lukrativ, da die Ãberfahrt mit der Fähre den GroÃteil des Gewinns auffressen wird. Aber wenn in drei Jahren die neue Elbbrücke den StraÃenverkehr möglich macht, werden wir richtig ins Geschäft kommen. Dann fahren wir natürlich nicht nur für Eberle.«
»Gut.« Noch vor ein paar Wochen hätte sich Siggo über einen solchen geschäftlichen Erfolg gefreut. Heute nahm er die Nachricht gleichgültig auf.
»Was ist mit dir los, mein Sohn?«
Siggo schluckte. Er war es nicht gewohnt, dass sich der Vater nach seinem Befinden erkundigte. Bevor er antworten konnte, kam Oliver in den Hof getrabt.
»Tach«, sagte er kleinlaut.
»Du kommst reichlich spät zur Arbeit«, fuhr Siggo ihn an. Auch mit dem Jungen hatte er keine Geduld mehr.
»Entschuldigung, aber gestern, na ja, also Mathilde hat mich erwischt. Im Keller.«
»Wovon zum Teufel redest du?«
Oliver presste fest die Lippen aufeinander.
Erik Freesen ging vor dem Jungen in die Hocke, etwas, das er bei seinem eigenen Sohn nie getan hatte.
Verdammt, dachte Siggo, jetzt bin ich auch noch auf Oliver eifersüchtig.
Dieser sprudelte plötzlich eine unglaubliche Geschichte heraus. Von einer Entführung war da die Rede, von seinen Freunden Paul, Harry und Olaf, von Leni, von einem Kaffeesack und einem Kellerraum.
»Halt!«, rief Siggo. »Noch einmal von vorn, und zwar schön langsam.«
»Ich will das auch hören!«, rief Gerlinde vom ersten Stock herunter. Sie hatte die drei im Hof stehen sehen und das Fenster geöffnet. »Kommt alle herauf in die Küche.«
Zehn Minuten später starrten die Freesens den jungen Oliver Kuhn mit einer Mischung aus Entsetzen und Respekt an.
»Sapperlot!«, stieà Erik aus.
»Du hast wirklich Leni gerettet«, sagte Gerlinde staunend.
»Weggeschleppt in einem Kartoffelsack«, ergänzte Siggo.
»Kaffeesack«, korrigierte ihn Oliver. »Leni sagte, dass er sehr schön gerochen hat.«
Eine Weile ging es noch hin und her mit Fragen und Antworten, bis Gerlinde schlieÃlich meinte: »Das ist ja alles gut und schön. Vor diesen Krögers ist sie nun sicher. Und die Leute werden sich gewiss hüten, zur Polizei zu gehen. Aber was soll aus dem Kind jetzt werden? Mathilde hat doch mit dem Jungen hier schon genug zu tun.«
»Ich mache ihr aber gar keine Arbeit«, behauptete Oliver. »Und sie hat mich auch nicht übers Knie gelegt. Nur Nachspeisen bekomme ich jetzt eine Woche lang nicht, aber das halte ich schon aus. Und ich habe versprochen, ihrviel mehr zu helfen. Ich werde die Kohlen aus dem Keller holen und das Geschirr spülen.«
»Trotzdem«, sagte Gerlinde. »Das Mädchen kann nicht den ganzen Tag alleine gelassen werden, und Mathilde hat ihre Arbeit in Harvestehude.«
Siggo entdeckte einen neuen Glanz in den Augen seiner Mutter, und er ahnte schon, was sie gleich sagen würde.
»Die Lütte kann erst mal zu uns kommen«, erklärte sie denn auch. »Jetzt, da der âºDreimasterâ¹ fertig ist, braucht Greta mich dort nicht mehr. Ich bin also zu Hause.«
»Gerlinde«, sagte Erik Freesen mit ungewohnter Sanftheit. »Ãberleg dir das gut. So ein kleines Mädchen. Nicht dass du denkstâ¦Â«
Seine Frau senkte kurz den Kopf, sah dann aber wieder auf. »Keine Angst. Ich weiÃ, sie ist nicht meine Tochter. Aber irgendwer muss sich um sie kümmern. Oder wollt ihr das arme Kind in ein Heim stecken?«
»Da sei Gott vor«, sagte Siggo.
»Dann entführe ich sie gleich noch mal«, verkündete Oliver.
Erik schüttelte nur schweigend den Kopf.
»Gut«, meinte Gerlinde. »Wenn Greta nachher aus Harvestehude zurück ist, werde ich sie darauf ansprechen.«
Harvestehude! Siggos Kiefernmuskeln begannen erneut zu mahlen. Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf, so schrecklich, dass ihm schwindelig wurde. Greta war vielleicht schon längst für ihn verloren, er hatte es nur noch nicht bemerkt. Ihm war, als lege sich ein feiner Schleier zwischen ihn und den anderen
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