Die Tortenbäckerin
gehen? Wir brauchen Butter und Eier. Danach könnten wir auf dem Kirchhof nach ein paar Frühlingsblumen suchen. Sie duften wunderschön, weiÃt du?«
»Ich habe noch nie Blumen gerochen«, erwiderte Leni ernsthaft.
»Warte mal.« Greta lief schnell in Violas Kammer, die nun von Leni bewohnt wurde. In einer Schublade der Kommode befanden sich noch ein paar von Violas Besitztümern. Greta fand, was sie suchte, und war gleich daraufwieder bei Leni. Sie entkorkte einen Flakon aus dunkelgrünem Kristallglas und hielt ihn Leni unter die Nase. »Hier, riech mal. Das ist ein Maiglöckchenparfum. So ähnlich, nur nicht ganz so stark, duften die Blumen drauÃen in der Natur.«
Leni atmete zunächst vorsichtig, dann ganz tief ein. Ihr kleines Gesicht bekam einen verzückten Ausdruck. »Das duftet ganz wundervoll. Was ist ein Par⦠Parfâ¦Â«
»Ein Parfum? Nun, das ist ein Duftwässerchen, das sich eine Dame hinter die Ohren tupft. Es gehörte meiner Mutter.«
»Oh«, machte Leni. »Darf ich auch ein Tröpfchen davon haben? Ich möchte so gern wie eine Blumenwiese duften.«
»Aber sicher«, sagte Greta und tupfte ein wenig Parfum hinter Lenis Ohren.
»Vielen, vielen Dank. Jetzt duftet es noch besser. So frisch und so fidel. Ich bin jetzt ganz glücklich. Sind alle Frauen glücklich, wenn sie so duften?«
»Nun«, meinte Greta, wieder einmal hingerissen von Lenis besonderem Geruchssinn und ihrer ausgeprägten Vorstellungskraft. »Das will ich hoffen.«
»Können wir heute auch ein Parfum machen?«
»Das ⦠ich weià nicht, wie das geht.«
»Oh, es ist bestimmt ganz einfach. Wir müssen nur â¦Â« Leni runzelte die Stirn. »Vielleicht muss ich erst noch ein bisschen älter werden. Dann lerne ich es. Ganz bestimmt.«
Greta wollte etwas erwidern, als plötzlich laut gegen die Wohnungstür geklopft wurde.
Wer mag das sein?, dachte sie erschrocken. Sie erwartete niemanden. Langsam ging sie zur Tür und öffnete. Lenikroch ganz tief in den Sessel, so groà war ihre Angst, von Vati und Mutti abgeholt zu werden. Im nächsten Moment jedoch richtete sie sich gerade auf und stieà einen Jubelschrei aus. Da war auch schon Oliver bei ihr.
»Na, Lütte, alles klar?«
Leni nickte eifrig und begann, Oliver von Blumenwiesen und feinen Düften zu erzählen.
Greta begrüÃte indessen Gerlinde und Siggo. Sie bemerkte, dass Gerlinde ungewohnt nervös war, während Siggo richtiggehend wütend wirkte. Wütend? Sie schaute genauer hin. Da war noch etwas anderes an ihm, etwas, das sie nicht gleich verstand. Siggo wirkte irgendwie â verzagt. Wie ein Mann, der etwas Wertvolles verloren hatte und keine Hoffnung mehr hegte, es wiederzufinden. Ein Angstschauer lief ihr über den Rücken. So wie Siggo da stand, äuÃerlich zornig, aber innerlich wie zerbrochen, erinnerte er sie auf schreckliche Weise an seinen Vater, so wie er gewesen war, als Greta ihn kennengelernt hatte. Ein Mann, von Dunkelheit umgeben.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie unsicher. »Wenn es um den âºDreimasterâ¹ geht, so macht euch keine Sorgen. Mein Auftragsbuch ist schon fast voll. Stellt euch vor: Sogar Freia Hansen wünscht meine Dienste in Anspruch zu nehmen. In zwei Wochen feiert sie ihren fünfzigsten Geburtstag. Ich soll meine besten Torten backen, und zwar die mit dem Likör. Es hat sich herumgesprochen, wie lecker die sind. Nur gut, dass wir gleich so viele Flaschen von Thorsten Overbeck bekommen haben. Ich â¦Â« Sie merkte, dass sie ins Plappern geraten war, und schloss abrupt den Mund.
Gerlinde hatte inzwischen Leni entdeckt. Ihr Blickwurde weich. Nur Siggo stand noch immer regungslos in der Tür und starrte an Greta vorbei auf die kahle Wand.
»Komm doch auch herein«, murmelte sie.
Er machte zwei Schritte, blieb dicht vor ihr stehen, tat jedoch immer noch, als wäre sie gar nicht vorhanden. Oder als wäre er selbst nicht vorhanden, was noch viel schlimmer war.
»Mutter«, sagte er tonlos. »Ãberleg es dir noch einmal.«
Es schmerzte Greta, dass er sie nicht einmal ansah.
»Siggo, was ist denn?«
»Mutter!«, sagte er wieder, diesmal scharf, beinahe drohend.
Greta drehte sich zu Gerlinde um. Die ältere Frau saà mittlerweile im Sessel. Leni kuschelte sich vertrauensvoll in ihren Schoss und erzählte auch ihr munter
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