Die Tortenbäckerin
Menschen in der Küche.
Kaum hörte er noch, wie seine Mutter Oliver fragte: »Weià Greta überhaupt, dass Leni hier ist?«
Der Junge nickte. »Sie ist gestern Abend auch fast in Ohnmacht gefallen vor Schreck, aber dann hat sie mich so fest umarmt, dass ich schon dachte, sie bricht mir die Rippen.«
28
N och nie war Greta so schnell die Treppenstufen zu ihrer Wohnung hinaufgelaufen. Noch nie hatte sie es so eilig gehabt, heimzukommen. Noch nie hatte Leni dort auf sie gewartet. Greta musste nach Luft schnappen, aber sie dachte gar nicht daran, langsamer zu laufen. Gleich, gleich würde sie ihre Tochter in die Arme schlieÃen können. Nur das allein zählte. An all ihre Sorgen mochte sie jetzt nicht denken.
Christoph hatte ihr sofort angesehen, dass etwas geschehen war. »Du strahlst ja geradezu. Hast du dich vielleicht heimlich verlobt?«
»Ich ⦠nein, natürlich nicht.«
»Da bin ich aber beruhigt. Ich dachte schon, du willst mir untreu werden.« Er hatte dabei mit den Augen gezwinkert, aber Greta war dennoch der Schreck in die Glieder gefahren. In den Tagen, in denen sie ihn nun schon besuchte, hatte Greta aufmerksam in sich hineingelauscht. Ihr war aufgefallen, dass ihr Herz nicht schneller schlug, wenn sie mit Christoph sprach, und dass ihre Gedanken leicht zu einem anderen Mann flogen, wenn sie Christoph mit Suppe fütterte. Greta ahnte nun, sie liebte Siggo, doch der Gedanke, ihm ganz nah zu sein und mit ihm die unaussprechlichen Dinge zu tun â dieser Gedanke machte ihr nach wie vor Angst.
Christoph hatte ihr erschrockenes Mienenspiel bemerkt. »Ich will dich nicht quälen. Sag du mir, was dich so glücklich macht. Der sonnige Märztag und das Blühen der Krokusse allein können es ja nicht sein.«
»Oliver hat Leni entführt, und nun ist sie bei mir«, war Greta herausgeplatzt. Daraufhin musste sie alles der Reihe nach erzählen, und als sie geendet hatte, war Christoph lange Zeit still geblieben. Sie hatte schon befürchtet, er sei wieder eingeschlafen. Christoph erholte sich zwar zusehends, doch er war noch immer sehr schwach.
Aber dann hatte er die Augen geöffnet und Greta fest angesehen: »Ãber Leni müssen wir noch sprechen. Aber nun fahr wieder heim und freue dich an deiner Tochter.«
»Ich bin doch erst seit einer halben Stunde hier.«
»Heute werde ich auf dich verzichten. Leni zuliebe.«
Da hatte sie ihn auf die Wange geküsst und war schnell wie der Wind aus dem Haus gelaufen.
Endlich war Greta vor ihrer Wohnungstür angekommen. Gerade als sie die Klinke hinunterdrücken wollte, wurde die Tür von innen aufgerissen.
»Gut, dass du so früh kommst«, sagte Mathilde. »Dann fahre ich jetzt gleich nach Harvestehude. Freia Hansen verliert langsam die Geduld mit mir. âºSchon wieder ein freier Tag?â¹, hat sich mich gestern gefragt. âºDas muss aufhören.â¹ Dabei halten sich auch die Hansens an die Fastenzeit, und die paar einfachen Gerichte können inzwischen auch Marie und Paula zubereiten. SchlieÃlich lerne ich die beiden an, seit du nicht mehr da bist.«
»Ja, geh nur«, erwiderte Greta und betrat die winzige Stube. Leni saà in dem Sessel, der einst Viola gehört hatte. Im Arm hielt sie eine Puppe. Mit einer Hand strich sie ihrimmer wieder über das lange Haar, die kühlen Porzellanwangen und das feine Kleidchen aus Moiré. Dabei summte sie ein Lied. Siggo hatte ihr die Puppe geschickt, und Leni trennte sich nie von ihr.
Greta wusste, ihre Tochter hatte sie schon an den Schritten auf der Treppe erkannt, aber sie wartete geduldig, bis Mathilde ausgeredet und sich verabschiedet hatte. Sie war ein Kind, das niemals stören wollte und das daran gewohnt war, zu warten, bis es Aufmerksamkeit bekam.
Nun jedoch, als Leni hörte, wie die Wohnungstür geschlossen wurde, hob sie den Kopf und strahlte. »Ich freue mich so, dass du da bist, liebe Greta.«
»Ich bin auch froh.« Greta eilte zum Sessel und drückte das Kind an sich. Wie gern hätte sie Leni verraten, dass sie ihre richtige Mutter war, doch das musste warten. Leni hatte schon genug Aufregung erlebt, und bevor Greta nicht wusste, wie es weitergehen sollte, blieb das Geheimnis besser bewahrt.
»Du hast Kummer.«
Greta unterdrückte ein Seufzen. Der Lütten entging keine ihrer Stimmungen. Betont fröhlich sagte sie nun: »Magst du mit mir auf den Markt
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