Die Tortenbäckerin
schwanken, dann fing er sich.
»Irrtum. Es geht um Greta.«
Sie hatte sich verhört. Es konnte gar nicht anders sein. Christoph würde doch nicht ⦠Starr vor Schreck beobachtete sie, wie der Patriarch eine graue Augenbraue hob.
»Greta?«, hub Freia Hansen an. Sie war kreidebleich geworden. »Was soll das, Christoph? Hat es nicht genügt, dich so weit wegzuschicken?«
Christoph schüttelte den Kopf. »Du verstehst das falsch, Mutter. Greta und ich sind nur gute Freunde.«
Freias Wangen erlangten ihre normale rosige Farbe wieder.
Greta hingegen wusste nicht, ob sie erleichtert oder entsetzt sein sollte. Wenn Christoph nicht von seiner Liebe zu ihr sprechen wollte, was um Gottes willen hatte er dann im Sinn? Er würde es doch nicht wagen ⦠Sie warf einen schnellen Blick auf Friedrich. Dieser starrte seinen Bruder drohend an.
Christoph lieà sich nicht einschüchtern. »Es geht mir vielmehr darum, dass Friedrich die Deern vor einigen Jahren vergewaltigt hat.«
»Sapperlot!«, rief Cornelius Hansen aus.
»So ein Unsinn«, sagte Friedrich. »Die freche Göre hat mit mir getändelt, bis sie mich endlich rumgekriegt hat. Sie hat wohl gehofft, sie könnte in eine Bankiersfamilie einheiraten. Nun, da hat sie sich getäuscht. Ich habe ihr nur gegeben, was sie verdient hat.«
Greta war einer Ohnmacht nahe. Sie musste sich an einer Stuhllehne festhalten und sich fest in die Wangen kneifen.
Freia Hansen drehte sich langsam zu ihr um. In ihren Augen stand eine ungewohnte Sanftheit. »Sag mir die Wahrheit, Kind.«
»Es â¦Â«, Greta musste schlucken. »Es geschah gegen meinen Willen.«
»Ich glaube ihr«, sagte Freia zu ihrem Mann und ihren Söhnen.
»Mutter!«, ereiferte sich Friedrich. »Wie kannst du einem kleinen Flittchen mehr Glauben schenken als mir, deinem erstgeborenen Sohn!«
»Weil ich dich kenne«, erwiderte Freia ruhig.
Bevor Friedrich etwas erwidern konnte, ergriff der Vater das Wort. »Der Vorfall ist sicherlich bedauerlich, jedoch soll so etwas in den besten Häusern vorkommen. Ich schlage vor, wir vergessen das Ganze.«
»So einfach geht das nicht, Vater«, wandte Christoph ein.
Dann erzählte er seiner Familie von Leni.
Greta beobachtete, wie Freias Augen sich mit Tränen des Mitleids füllten. Die Frau, die ihr immer so hartherzig erschienen war, lieà ihren Gefühlen freien Lauf. Der Patriarch wirkte eher indigniert, während Friedrich angewidert das Gesicht verzog.
Das war zu viel für Greta. Sie rannte los, schlüpfte an Friedrich vorbei und erreichte die Diele. Raus, nur raus hier. Sie hörte nicht mehr, wie Christoph nach ihr rief, hörte nicht mehr Friedrichs böses Lachen.
Durch den Hinterausgang flüchtete sie aus der Villa. Niemals wieder würde sie hierher zurückkehren. Christoph hatte sie vor seiner Familie bloÃgestellt, und er hatte sogar Leni mit in den Dreck gezogen.
Wie hatte er ihr das nur antun können? Bittere Tränen rannen über ihre Wangen, aus ihrem Mund drangen kurze, trockene Schluchzer.
An die Heimfahrt nach Altona erinnerte sich Greta am nächsten Morgen kaum noch. Sie hatte den Pferdeomnibus genommen, so viel wusste sie noch. Aber ob sie einen Sitzplatz ergattert oder die Fahrt über gestanden hatte, ob der Omnibus voll oder leer gewesen war, wusste sie nicht mehr. Auch der FuÃweg von der Haltestelle nach Hause verschwand hinter einem Nebel aus Entsetzen über Christophs Verrat.
Warum nur, dachte sie immer wieder, warum hat er mir das angetan? Ist es nicht genug, dass seine Familie mein Leben zerstört hat? Muss ich auch noch eine solche Demütigung ertragen? Sie hatte gehofft, Christoph und sie könnten eines Tages Freunde werden. Offenbar hatte sie sich getäuscht.
Zu Hause angekommen, fand sie Mathilde und Leni in der guten Stube vor. Doch sie hatte kein Wort, kein Lächeln für sie übrig. Sie verschwand nur in ihrer Kammer, warf sich auf ihr Bett und weinte sich in den Schlaf. Mathildes Klopfen ignorierte sie, Lenis leises Rufen hörte sie nicht. Mitten in der Nacht wachte sie auf und fand keinen Schlaf mehr. Sie trat ans Fenster, schaute hinaus, hielt sich mit den Augen an den Sternen fest und sagte sich, sie würde auch dies überstehen. Irgendwie. So wie sie bisher alles überstanden hatte.
Als nun der Morgen eines neuen Tages graute, verlieà Greta ihre Kammer und
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