Die Tortenbäckerin
hatte zurückgeblinzelt.
Nun beobachtete sie, wie Mechthild Klasen sich über die anderen Damen köstlich amüsierte. Sie selbst hatte wohl nur wenig von der Torte gegessen, andere mussten schon bei ihrem dritten oder vierten Stück sein. Die Apfeltorte war bereits verputzt, von der Kirschtorte war kaum noch etwas übrig, und auch die Schlehentorte hatte den Damen offensichtlich gemundet.
Die eine oder andere Dame hatte inzwischen Schwierigkeiten, in ihrem voluminösen, altmodisch anmutenden Tournürenkleid noch bequem zu sitzen.
Greta bewunderte Mechthild Klasen auch für ihren Modegeschmack. Sie trug ein beinahe schlichtes Kleid, mit einem kaum gebauschten und wenig drapierten Rock, der nahezu glatt zu Boden fiel. Ganz offensichtlich gehörte sie nicht zu den Frauen, die sich jeder Verrücktheit der Mode unterwarfen.
Anders die übrigen Damen in der Runde. Die einen hatten sich für den Cul de Paris entschieden. Wie Greta wusste, bestand dieser aus Rosshaarpolstern, worüber dann Unmengen von Stoff geschickt angenäht wurden und dieTrägerin eines solchen Tournürenkleides mit einer voluminösen Hinteransicht ausstatteten. Ein paar andere Damen der Runde hielten sich für modern, indem sie ein Kleid mit Keulenärmeln trugen. Besonders bei den älteren Damen wie Baronin von Spiegel sahen diese im Schulterbereich kanonenrohrgroÃen Ãrmel schrecklich aus, fand Greta. Sie lieÃen ihre ohnehin schon fülligen Trägerinnen noch breiter und unförmiger erscheinen.
Manchmal war Greta richtig froh, nicht der oberen Gesellschaftsschicht anzugehören. Sie bezweifelte, dass sie so viel Mut wie Mechthild Klasen gehabt hätte, und ihr blieb allein beim Gedanken an Korsetts und Stoffmassen die Luft weg. Zudem hätte sie als brave Bürgertochter nie die Möglichkeit gehabt, ihr eigenes Geschäft zu eröffnen. Diese Mädchen, die Greta in den verschiedenen Haushalten kennengelernt hatte, mochten zwar behütet aufwachsen. Sie kannten keine Not, kein Frieren und kein Hungern. Doch sie hatten kaum eine Wahl, was ihre Zukunft betraf. Sie wurden gut erzogen und durften vielleicht eine Mädchenschule besuchen, wo die schönen Künste gelehrt wurden. All das allein im Hinblick auf eine passende Heirat. Nur wenige junge Frauen schafften es, ein Lehrerinnen-Seminar zu besuchen, das sie auf den einzigen Beruf vorbereitete, der ihnen von der Gesellschaft zugestanden wurde.
Nein, entschied Greta. Trotz aller Sorgen bleibe ich lieber, wer ich bin.
Christoph stieà sie leicht an und wies nach vorn. Dort stemmte sich gerade eine Dame schwungvoll aus einem tiefen Sessel hoch und bat ums Wort. »Ich möchte unserem Geburtstagskind â¦Â«, konnte sie gerade noch sagen, bevor sie in gefährliche Schieflage geriet.
»Pass doch auf, Miranda!«, kreischte Freia Hansen, die plötzlich die Tournüre der Freundin im Gesicht hatte.
»Gleich erstickt sie«, flüsterte Christoph.
Die angesprochene Miranda drehte sich mit Schwung herum. Nun fegte sie allerdings ein paar zierliche Kaffeetassen vom nächsten Tischchen. Martha von Spiegel wollte ihr zu Hilfe kommen, verfing sich aber mit ihrem rechten Keulenärmel in der Frisur ihrer Nachbarin, die daraufhin einen lauten Schreckensschrei ausstieÃ.
Im Nu herrschte das gröÃte Durcheinander im Salon. Zwei Damen fielen in vollem Ornat zu Boden und hatten Schwierigkeiten, wieder hochzukommen. Freia Hansen sprang aus ihrem Sessel auf, geriet ebenfalls aus dem Gleichgewicht und kippte nach vorn, direkt in Mechthild Klasens Arme. Diese machte ein Gesicht, als würde sie gleich vor Lachen platzen.
»Verzeih, liebe Mechthild, ich â¦Â« Ein heftiger Schluckauf hinderte Freia Hansen am Weiterreden. Währenddessen hatten sich die beiden Damen auf dem Boden so unglücklich ineinander verhakt, dass sie nicht mehr freikamen.
»Es ist Zeit, einzugreifen«, flüsterte Christoph und erhob sich.
Das allgemeine Schimpfen und Kichern der Damen erstarb mit einem Schlag. Einzig Freia Hansens Schluckauf hallte durch die Stille.
Christoph ging zu den zwei am Boden liegenden Damen, die ihm verschämt entgegenblickten.
»Wenn Sie gestatten«, sagte er zur ersten und befreite die Stoffbahnen ihres Kleides von denen ihrer Schicksalsgefährtin. Sodann half er ihr galant auf die Beine, wo sieeinen Moment schwankte, bevor sie auf einen Stuhl glitt. Auch der zweiten Dame half
Weitere Kostenlose Bücher