Die Tortenbäckerin
auch jetzt zurückgezuckt.
Das Mädchen aber schien von alldem nichts zu bemerken und lieà sich aufhelfen. Ihre ungewöhnlichen Augen blickten durch ihn hindurch, als sie sagte: »Verzeihen Sie, mein Herr. Ich wollte Ihnen keine Umstände bereiten.«
»Umstände«, wiederholte er verblüfft. Dann lieà er endlich ihre Hand los.
Siggo brauchte einen Moment, um seine Fassung wiederzugewinnen. Er lobte die Pferde und klopfte ihnen die dicken Hälse, während er aus den Augenwinkeln beobachtete, wie die junge Frau auf den Bürgersteig zurücktrat und sich den Dreck abklopfte. Sie war schlicht, aber adrett gekleidet. Unter dem Rock aus grobgewebter Wolle lugte ein Paar robuster Schnürstiefel hervor, um Kopf und Schulter hatte sie ein dickes Umschlagtuch gewickelt. Er fragte sich, ob sie irgendwo in Stellung war, dann fragte er sich, was ihn das anging.
»Ich werde Sie nach Hause bringen«, sagte er und war selbst ein bisschen überrascht. Der Gedanke war ihm erst gekommen, als er ihn ausgesprochen hatte.
Greta Voss sah zu dem blonden jungen Mann auf, der sie noch immer weit überragte, obwohl sie nicht mehr auf der StraÃe saÃ, sondern auf dem Bürgersteig stand.
»Das ist sehr freundlich«, sagte sie steif, »aber ich benötige keine Begleitung.« Ob das wirklich stimmte, wusste sie selbst nicht so genau, schlieÃlich war sie gerade erst um ein Haar unter die Hufe eines Zugpferdes geraten. Ihre Beine fühlten sich immer noch weich an, wie eine Errötende Jungfrau.
»Wie bitte?«, fragte der groÃe blonde Fuhrmann. Greta hatte nicht bemerkt, dass sie laut geredet hatte, und nun stahl sich ein winziges Lächeln auf ihr Gesicht. »Das istein Nachtisch aus Buttermilch und Kompott«, erklärte sie. »Ziemlich weich.«
Ihr Retter grinste. »Verstanden. Und wie wird der gemacht?«
»Oh, das ist ganz einfach. Man gibt Buttermilch in eine Schüssel, fügt abgeriebene Zitronenschale hinzu und muss sie mit dem Schneebesen kräftig schlagen. Dann kommt Gelatine dazu, die vorher in heiÃem Zuckerwasser aufgelöst wurde. Dabei muss man natürlich immer weiterschlagen. Sahne muss auch noch dazu, die wurde schon mit Vanillezucker â¦Â«
»Steif geschlagen«, ergänzte der junge Mann.
»Woher wissen Sie das?«
»Ich habâs geahnt. AuÃerdem ist meine Mutter eine gelernte Conditorin. Sie arbeitet seit ihrer Heirat zwar nicht mehr in ihrem Beruf, aber manchmal zaubert sie zu Hause die schönsten Torten und Kuchen. Dann rührt sie so lange den Teig, bis ihr Arm ganz steif ist. Nun, auch Ihr Nachtisch hört sich nach verdammt viel harter Arbeit an.«
»Bin dran gewöhnt«, meinte Greta bescheiden. »Ganz am Ende wird noch Preiselbeerkompott in die Mitte gegeben und langsam spiralförmig eingerührt. Das gibt ein hübsches Muster.«
»Sehr hübsch«, sagte er, und sie fragte sich, wie er das meinte.
Er warf ihr einen langen Blick zu. »Wenn Sie so schwer arbeiten, ist das nur ein Grund mehr, um Sie nach Hause zu bringen. Darf ich mich vorstellen? Siegmar Freesen, aber alle Welt nennt mich Siggo.«
»Greta Voss«, erwiderte sie schwach, und jegliche Fröhlichkeit verschwand aus ihrem Gesicht, als sie sich daranerinnerte, warum sie sich so schlecht fühlte. Wenn Christoph nur â¦
»Kommen Sie«, unterbrach Siggo ihre düsteren Gedanken. »Ich helfe Ihnen auf den Kutschbock und fahre Sie heim. Wo wohnen Sie?«
»GeorgstraÃe«, erwiderte sie, und auf einmal war sie froh über seine Hilfe. Vielleicht hätte sie den Heimweg von der Omnibushaltestelle zu Fuà nicht mehr geschafft.
»Schau an. Dann müssten wir uns eigentlich schon begegnet sein. Unser Fuhrunternehmen befindet sich an der Ecke zur Norderreihe.« Siggo hob sie hoch, und etwas in ihr fühlte sich für einen kurzen Moment leicht und beschwingt an.
»Ich wohne am anderen Ende in dem hohen, grauen Mietshaus.« Als er sie loslieà und zu ihr auf den Bock kletterte, kehrte die tiefe Einsamkeit in ihr Herz zurück.
»Christoph geht fort«, sagte sie unvermittelt. Rasch hielt sie sich die Hand vor den Mund, aber es war zu spät.
»Ist das Ihr Liebster?«, erkundigte sich Siggo. Auf seiner breiten, klaren Stirn erschien eine steile Falte.
Greta verstand selbst nicht, warum sie einem Fremden ihr Herz ausschüttete, aber hier in der Kälte und im
Weitere Kostenlose Bücher