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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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verriet sie der Tante nicht. »Ich hätte meine Stellung nicht verlieren dürfen«, fuhr sie nur fort.
    Aber sogleich dachte sie an Christoph, und bei sich hoffte sie: Er wird wiederkommen und mich heiraten. In fünf Jahren bricht ein neues Jahrhundert an. Die alten Zwänge gelten nicht mehr. Christoph und ich werden zusammen in einem neuen Zeitalter glücklich. Und Leni … Leni wird auch …
    Â»Greta!«, mahnte ihre Tante streng. »Du träumst schon wieder! Man soll sein Schicksal nicht versuchen. Der junge Herr Hansen ist bereits auf dem Weg nach Afrika. Hast du dir überlegt, was jetzt werden soll?«
    Ein Schwindel erfasste sie, und Greta ließ sich in Mutters Sessel sinken. Außer dem Stuhl, auf dem Mathilde saß, war er der einzige Sitzplatz in der Stube, trotzdem spürte Greta genau, dass sie ein ungeschriebenes Gesetz brach. Wenn dieses zerschlissene Polstermöbel erst einmal von anderen in Besitz genommen wurde, konnte das nur bedeuten, dass Viola Voss nie mehr darin sitzen würde. Kaum ging es Greta wieder besser, stand sie auf und klammerte sich an der Lehne fest.
    Â»Er wird zurückkommen«, flüsterte sie.
    Â»Selbstverständlich wird er das. Aber nicht zu dir, du dumme Gans. Nächstes Jahr zu Weihnachten wird Christoph Hansen die Tochter des Reeders Heinrich Ostorf heiraten.«
    Â»Katharina? Aber die hat ein Pferdegebiss. Das hat Christoph mir selbst gesagt.«
    Â»Und wenn schon. Kind, von Hochzeiten in höherenKreisen verstehst du nichts. Wärst du gestern Abend nicht kopflos davongelaufen, hättest du noch mitbekommen, dass Christoph und Katharina zu später Stunde ihre Verlobung bekanntgegeben haben.«
    Â»Das glaube ich nicht!«
    Â»Es ist so. Schau der Wahrheit ins Gesicht, Greta, und sag mir, was du zu tun gedenkst.«
    Greta sah aus dem Fenster, wo der dichte Nebel jetzt von einer fahlen Herbstsonne aufgehellt wurde. Es erschien ihr wie ein Zeichen. Christoph hat sich nur verlobt, um seine Eltern zufriedenzustellen, überlegte sie trotzig. Er wird die Verlobung lösen, sobald er nach Hamburg zurückkehrt. Sobald er zu mir zurückkehrt! Sie fühlte sich gestärkt und zuversichtlich. Nie hatte Christoph von Liebe zu ihr gesprochen, aber sein zärtlicher Blick, sein Wunsch, ganz mit ihr zusammen zu sein, hatte sie von seinen Gefühlen überzeugt. Sie und Christoph waren miteinander verbunden – durch mehr als eine einfache Liebschaft.
    Â»Es ist hoffnungslos.« Die Stimme ihrer Tante riss sie erneut aus ihren Träumen. »Kümmere dich um deine Mutter, Deern, ich werde mir überlegen, wie es weitergehen soll.«
    Die Tür schlug hinter Mathilde zu, aber Greta nahm es kaum wahr. Nun scheuchte die Novembersonne den Nebel fort und breitete ihr strahlendes Licht über ganz Altona aus. Endlich wandte sich Greta ab, um zu ihrer Mutter zu gehen. Sie sah bereits das blasse, hohläugige Gesicht vor sich, das nichts mehr mit dem Antlitz der jungen und glücklichen Viola Voss gemeinsam hatte, und sie musste einen inneren Widerwillen niederkämpfen.
    Als plötzlich der kleine Oliver vor ihr stand, empfandsie sogar Erleichterung für den kurzen Aufschub, den er ihr verschaffte.
    Â»Ich habe ganz laut geklopft.«
    Â»Ist schon in Ordnung.«
    Â»Soll ich eine Besorgung machen? Zur Apotheke vielleicht?« Eifrig lächelte er sie aus seinem verschmutzten Gesicht an. Fast jeden Tag kam er, um seine Dienste anzubieten. Er hatte sich in der ganzen Straße bereits den Ruf erworben, ein flinker und zuverlässiger Laufbursche zu sein. Doch nur wenige Leute konnten es sich leisten, ihn loszuschicken. Die Armut hielt sie alle in ihren Klauen gefangen.
    Â»Heute nicht, Oliver. Ich muss gleich fort, um mir Arbeit zu suchen.«
    Er ließ den Kopf hängen, und sie ahnte, wie sehr er auf den Pfennig gehofft hatte, den sie ihm regelmäßig zahlte. Tröstend fuhr sie ihm durchs struppige Haar. »Sag deiner Mutter, sie soll dich einmal ordentlich baden und dir die verfilzten Strähnen abschneiden. Du siehst aus, als würdest du regelmäßig durch einen Kohlenkeller kriechen. Wo ist sie überhaupt? Ich habe sie lange nicht gesehen.«
    Eigentlich, dachte sie bei sich, habe ich Olivers Mutter überhaupt noch nie richtig gesehen. Selten einmal den Vater, ein grobschlächtiger Kerl, und an seiner Seite ein verhuschtes weibliches Wesen, gänzlich verborgen unter

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