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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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einen großen Umschlagtuch.
    Â»Sie arbeitet doch bei den reichen Leuten an der Elbchaussee«, sagte der Junge schnell. Ein wenig zu schnell, fand Greta. Sein klarer Blick wirkte auf einmal trübe, die Stimme war belegt. »Da muss Mutti ganz früh hin und schafft es abends manchmal nicht mehr nach Hause.«
    Â»Ach so.« Sie wollte ihn nicht quälen, aber seine abgerissene Erscheinung machte ihr Sorgen. Eine Sorge, die sie auf willkommene Weise von ihren eigenen ablenkte. »Und dein Vater? Kümmert er sich nicht um dich?«
    Oliver trat von einem Bein aufs andere. »Der ist Schauermann im Hafen.«
    Â»Das weiß ich. Aber ihm bin ich hier im Haus auch schon lange nicht mehr begegnet.«
    Der Junge zuckte nur kurz mit den schmalen Schultern und wandte sich zum Gehen. »Er arbeitet halt viel. Ich muss jetzt los. Der Siggo wartet auf mich«, rief er über die Schulter zurück.
    Siggo. Greta nahm sich vor, ihrem Retter bei nächster Gelegenheit zu danken. Dann ging sie auf die Kammer der Mutter zu, hörte den heiseren, mühsam unterdrückten Husten und schwor sich: Noch heute lasse ich einen Arzt kommen.

D as kleine Mädchen saß im Dunkeln in der Stube auf dem Fußboden. Mutti würde wieder böse sein, wenn sie das sah. »Gewöhn dir endlich an, wie ein normales Kind auf einem Stuhl zu sitzen«, schimpfte sie laut, wenn sie Leni dabei erwischte. Aber Mutti war zum Markt gegangen, und sie blieb vielleicht den ganzen Vormittag weg. Mutti kannte viele Leute auf dem Markt, und es gab immer viel zu reden.
    Ein paarmal hatte sie Leni mitgenommen, aber das war nicht schön gewesen. Sie hatte sie hinter sich hergezerrt, und Leni war angst und bange geworden. So viel Krach! So viele fremde Gerüche! Sie konnte nicht sehen, was um sie herum passierte, nur riechen und hören. Manchmal blieb Mutti stehen, und dann beklagte sie sich bei irgendwelchen Leuten über ihr grausames Schicksal. »Der liebe Gott will mich mit diesem Kind prüfen«, sagte sie zum Beispiel. Leni wusste nicht, was das bedeuten sollte, aber sie machte sich ganz klein neben Mutti, denn sie spürte genau, wie sie angestarrt wurde.
    Nein, dann war es doch besser, daheim zu bleiben, auch wenn sie sich gruselte so ganz allein. Die Wand in ihrem Rücken fühlte sich feucht an, und Leni zitterte vor Kälte.
    Warum kam die Märchenfee mit der sanften Stimme nicht mehr? Leni wusste natürlich ihren richtigenNamen. Greta. Aber für sie war sie die Märchenfee. Weil sie so lieb zu ihr war und weil Leni sich auf ihren Schoß setzen durfte. Ihre Hände rochen manchmal nach Zwiebeln und manchmal nach Zitrone. Bei ihrem letzten Besuch hatte Leni einen anderen Duft geschnuppert und so lange gebettelt, bis die Märchenfee es ihr verraten hatte: »Das ist Zimt. Ich habe Plätzchen gebacken.« Und dann hatte Leni das Rascheln einer Papiertüte gehört, ihre Finger durften hineingreifen, sie spürte etwas Hartes, Rundes, dann biss sie ein Stück ab, und der süße Geschmack des Plätzchens ließ sie schwindelig werden.
    Die Märchenfee hatte ihr dabei übers Haar gestrichen, und Leni hatte gespürt, dass sie ganz traurig war. Da hatte Leni ein schlechtes Gewissen bekommen. Hätte sie das Plätzchen nicht nehmen sollen? Mutti sagte doch immer, sie sei gefräßig wie ein Matrose.
    Bald darauf war die Märchenfee gegangen, und erst als es Zeit fürs Bett war, fand Leni die duftende Tüte unter ihrem Kopfkissen. Sie hatte sich die Plätzchen eingeteilt, jeden Abend nur ein kleines Stückchen geknabbert, aber trotzdem war die Tüte jetzt schon längst leer.
    Mutti sagte, Greta habe keine Zeit mehr für ein dummes kleines Mädchen wie sie. Und Vati wollte überhaupt nichts davon hören. Immer wenn Leni fragte, wurde seine Stimme ganz kalt und böse. »Die kann froh sein, dass sie uns hat«, knurrte er dann. »Und ein bisschen mehr Dankbarkeit könnte nicht schaden. Schließlich opfern wir uns für das Gör auf.«
    Leni verstand das nicht, und sie traute sich auch nicht, noch weiterzufragen. Sie verkroch sich dann in ihre Lieblingsecke, die schmale Ritze zwischen ihrem Bett unddem Schrank, und versuchte, sich an den Duft von Zimt zu erinnern. Aber es ging nicht mehr. Es war einfach zu lange her, seit die Märchenfee sie besucht hatte.
    Leni musste weinen, wenn sie daran dachte. Aber das war dumm. Sie hatte doch

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