Die Tortenbäckerin
glücklich.
Moritz trottete weiter, und wenige Minuten später erreichte die Kutsche das Haus von Gretas Arbeitgeber.
»Warte.« Siggo hielt sie mit leichter Hand am Arm zurück, als sie schon aussteigen wollte. »Ich muss noch etwas mit dir besprechen.«
Augenblicklich stieg eine neue, noch tiefere Röte in ihr Gesicht, und Greta zog sich die Pelzmütze, so tief es ging, über die Stirn. Aber dann sagte Siggo etwas völlig Unerwartetes: »Es ist höchste Zeit, dass Leni in eine andere Umgebung kommt. Wir müssen eine anständige Familie für sie finden. Eine, die besser für sie sorgt und die sie vor allem fördert. Egal, wie viel es kostet. Noch besser wäre es natürlich, wenn â¦Â«
Er brach ab, und Greta atmete erleichtert auf. Es hätte nicht viel gefehlt, dachte sie erschrocken, und er hätte mir vorgeschlagen, dass wir heiraten und Leni zu uns nehmen sollen.
Sie dachte an Christoph und an ihren Traum von einerHochzeit mit ihm, wenn er nur erst aus Afrika zurück war. Dann würde Leni selbstverständlich bei ihnen leben und von den besten privaten Lehrern unterrichtet werden. Bestimmt gab es auch Gouvernanten, die speziell für die Betreuung von blinden Kindern ausgebildet waren. Und Mutter muss nicht in dem billigen Sanatorium in den bayerischen Alpen bleiben, fügte Greta im Stillen hinzu. Mutter wird nach Davos geschickt. Dort gibt es die beste Pflege für Tuberkulose-Kranke.
Oh ja, die Träume. Schön waren sie, brachten Hoffnung in ihren Alltag und Farbe in ihr Leben. Aber die Realität war eine andere. Viola Voss hatte kaum noch Kraft, das erkannte Greta an ihrer krakeligen Schrift auf der letzten Postkarte, die sie vor drei Tagen erhalten hatte. »Viele GrüÃe an dich und Mathilde«, hatte sie nur geschrieben. So gar keine Hoffnung sprach aus dem kurzen GruÃ. Die Schwindsucht zehrte Viola von innen auf.
Dr. Hausmann hatte bedauernd den Kopf geschüttelt, als Greta ihm die Karte gezeigt hatte. »Verehrtes Fräulein Voss. Das war zu befürchten, nicht wahr? Wünschen Sie, dass ich den Kollegen in Bayern telegraphiere und um Auskunft bitte?«
»Ja, bitte«, hatte Greta erwidert, obwohl sie am liebsten geschrien hätte: »Nein! Ich will es nicht wissen! Ich will hoffen dürfen, dass Mutter sich erholt.«
Und Leni â wieder spürte Greta diese unbestimmte Vorahnung von Gefahr. Sie überlegte, ob sie mit Siggo darüber sprechen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Erst wollte sie selbst sicher sein, dass etwas nicht stimmte. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und erkannte eine Wahrheit, die sie bisher nicht hatte sehen wollen: Es war Siggo, der sichgemeinsam mit Greta Sorgen um Leni machte. Siggo. Nicht Christoph.
Als sie nun beharrlich schwieg, sprach er schnell weiter, so als hätte er Angst vor ihrer Ablehnung. »Es ist ganz einfach. Ich habe da ein paar Ersparnisse, die ich dir geben kann. Natürlich nur leihweise, wenn dir das lieber ist.«
»Oh«, sagte Greta. »Aber du brauchst das Geld doch gewiss dringend für dein Geschäft.«
»Nein. Solange Lohmann mir das Leben so schwermacht, ist es sinnlos, in neue Pferde oder Wagen zu investieren. Ich habe schon daran gedacht, ein Automobil anzuschaffen, aber das hat Zeit. Unsere Partnerschaft, Greta, hat Zukunft. Und wenn Leni tüchtigere Pflegeeltern als die Krögers bekommt, hast du weniger Sorgen und kannst auch mehr arbeiten. Sieh es also als geschäftliche Investition an.«
Sie fühlte erneut, dass dies nicht die ganze Wahrheit war, und schon lag ihr ein klares Nein auf der Zunge. Dann jedoch dachte sie an Leni, wie dünn sie war und wie unglücklich. Greta suchte Siggos Blick, fand darin, was sie nicht finden wollte, und sagte dennoch: »Das ist sehr groÃzügig von dir. Vielen Dank. Natürlich werde ich dir jeden Pfennig zurückzahlen, sobald ich kann.«
»Natürlich«, erwiderte Siggo, und es klang so zärtlich, als hätte er etwas ganz anderes gemeint.
Beide schwiegen sie einen Moment verlegen, bis Siggo sagte: »Ich werde mich nach einer geeigneten Familie umhören. Und dann wird es auch Zeit, dass du deiner Tante von Leni erzählst.«
Greta unterdrückte ein Stöhnen. »Oh Gott. Mathilde. Sie wird mich umbringen.«
»Wird sie nicht. Seit sie Oliver hat, ist ihr Herz weich geworden. AuÃerdem ist sie jetzt selbst eine Frau, die alleine
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