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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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sagte er, als wär’s das Normalste von der Welt.
    Harry tippte sich mit dem Finger gegen die Stirn. »Klar doch. Wir sind ja feine junge Herren, die sich so was leisten können.«
    Oliver hätte ihn darauf aufmerksam machen können, dass feine Herren in ihrer eigenen Kutsche oder in einem Automobil fuhren, aber er hielt den Mund.
    Paul musterte ihn eine Weile prüfend und fragte dann: »Bist du jetzt auch noch in einen Geldtopf gefallen?«
    Oliver schüttelte heftig den Kopf. »Nee, ich hab was vom Milchgeld der dicken Mathilde genommen.«
    Insgeheim bat er Mathilde um Abbitte, weil er so gemein über sie sprach. Und das mit dem Milchgeld stimmte nicht. Mathilde hatte ihm erst gestern ein paar Münzen in die Hand gedrückt. »Falls der Bäckerjunge vorbeikommt, darfst du dir jetzt jeden Tag ein Stück Kuchen kaufen. Du musst ja wieder zu Kräften gelangen.«
    Jetzt hielt Oliver die vier Groschen hoch. »Hier. Damit fahren wir alle zusammen zum Hafen und auch wieder nach Hause.«
    Die anderen starrten erst ihn und dann das Geld an. Bestimmt überlegten sie, was sie damit alles kaufen konnten. Brot vom Vortag, eine halbe Wurst, Äpfel mit kleinen Stellen, die billiger verkauft wurden …
    Â»Gut«, sagte Paul und kam damit Olaf und Harry zuvor, die dem Kleinen möglicherweise die Münzen aus der Hand geschlagen hätten. »Genau so machen wir es. Wir reden schließlich seit Monaten davon, uns die ›Potosi‹ anzuschauen. Heute ist der 14. Januar, und sie läuft aus. Alle sagen, das wird ihre erste Rekordfahrt. Und ich will dabei sein. Los geht’s.«
    Erleichtert heftete sich Oliver an Pauls Fersen. Er selbst machte sich nicht viel aus Schiffen, eigentlich hatte er sogar eine Heidenangst davor, und zwar seit dem letzten Jahr, seit sein Vater im Sommer mit der »Concordia« untergegangen war. Im Krankenhaus hatten die Erwachsenen wohl gedacht, er würde nicht merken, wie betroffen sie guckten. Aber er hatte sofort alles begriffen. Das Schiffwar abgesoffen, und alle hatten davon gewusst. Nur er nicht. Er hatte sich an die Hoffnung geklammert, Vati würde irgendwann wiederkommen. Auch seinen Freunden auf der Straße hatte er das erzählt, und keiner hatte genau wissen wollen, mit welchem Schiff sein Vater gefahren war. Für Paul waren Eltern sowieso etwas, das er nicht kannte. Er konnte sich zumindest nicht daran erinnern, jemals eine Mutter oder einen Vater gehabt zu haben. Harry und Olaf hatten mal erzählt, dass ihre Familien bei der Cholera-Epidemie vor vier Jahren in Hamburg umgekommen waren. Die beiden Jungen, die sich aus demselben Gängeviertel kannten, hatten sich dann allein nach Altona durchgeschlagen, weil dort angeblich ein Onkel von Harry wohnte. Aber den hatten sie nie gefunden, und so lebten sie seither auf der Straße. Oliver hatte einmal mit Schaudern nachgerechnet, dass Harry und Olaf damals höchstens sieben oder acht Jahre alt gewesen sein konnten. Viel jünger als er. Und die beiden waren stolz darauf, wie alle Jungs, die allein klarkamen. »Uns kriegt keiner in ein Heim!«, lautete ihr liebster Schlachtruf. Und dann träumten sie davon, eines Tages als Matrosen über die sieben Weltmeere zu fahren oder als Kapitäne. Sie waren da nicht so wählerisch. Nur Paul hatte ganz besondere Vorstellungen. Er wollte einmal als Pirat auf Kapernfahrt gehen. Paul war nicht der Meinung, dass ein Mann mit Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit am besten durchs Leben kam.
    Oliver hasste alles, was mit der Seefahrt zu tun hatte, aber seit Paul und die anderen von der »Potosi« schwärmten, hatte er immer so getan, als ob er genauso begeistert von diesem Schiff sei. Er hatte sogar Paul geholfen, alle Informationen zusammenzutragen, die sie kriegen konnten.Die Zeitungen hatten ja viel geschrieben über das »schönste Segelschiff, das je die Meere befahren hat«. Oliver hatte die Artikel langsam vorgelesen. Er war der Einzige, der das konnte, denn sein Vater hatte ihn mit sieben Jahren in die Volksschule gesteckt, und er hatte zwei Jahre lang lesen, schreiben und ein bisschen rechnen gelernt. So hatte Oliver den anderen oft aus alten Zeitungen vorgelesen, die manchmal nach Fisch und manchmal nach vergammeltem Fleisch stanken, je nachdem, was damit eingewickelt worden war. Und nun wusste er alles auswendig, und Paul konnte ihn jederzeit nach Einzelheiten fragen.
    Prompt sagte sein

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