Die Tortenbäckerin
groÃer Freund jetzt: »Wann ist sie vom Stapel gelaufen?«
Und wie aus der Pistole geschossen antwortete Oliver: »Letztes Jahr am achten Juni.«
»Wie viele Masten?«
»Die âºPotosiâ¹ ist eine Fünfmastbark mit Fockmast, GroÃmast, Mittelmast, Kreuzmast und Besanmast.«
»Gut, Lütter.« Diesmal blieb ein Schlag auf die Schulter zum Glück aus.
Sie hatten die Haltestelle erreicht, und Oliver lieà die Münzen unauffällig in Pauls Hand gleiten. Er fand, es gehörte sich so, dass der Ãlteste zahlte.
Eine Dreiviertelstunde später erreichten die vier Jungen den Hamburger Hafen und drängelten sich am Kai durch die Menge der Schaulustigen bis ganz nach vorn, wo sie einen guten Blick auf das mächtige Schiff hatten. Oliver betrachtete den stählernen Rumpf und die prachtvolle Takelage. Er empfand nichts, während die Freunde neben ihm in Rufe der Bewunderung ausbrachen.
»Mit dem Schiff werde ich eines Tages fahren!«, rief Paul.
»Ich auch!«, rief Harry.
»Ich auch!«, echote Olaf.
»Da musst du aber noch ein Stück wachsen, mien Jung«, sagte ein Hafenarbeiter neben ihm. »Jetzt segelt der Kahn erst mal ohne euch nach Chile. Bestimmt bricht er alle Rekorde. Die âºPotosiâ¹ macht siebzehn Knoten, da kann kein anderer Segler mithalten.«
Die Burschen verstummten. Oliver erinnerte sich daran, dass âºPotosiâ¹ der Name einer bolivianischen Silberstadt war. Der Frachtsegler unternahm die wichtigen Salpeterfahrten nach Chile. Er teilte sein Wissen dem Hafenarbeiter mit, der ihm daraufhin freundschaftlich die Haare raufte. »Kluges Bürschchen. Und ich habe mich schon gefragt, was dieser südamerikanische Name soll.«
Oliver lächelte stolz.
Die Geduld der Zuschauer wurde auf eine lange Probe gestellt, doch endlich nahm das hundertelf Meter lange Schiff langsam Fahrt auf und verlieà den Hafen in Richtung Nordsee. Die Menge jubelte, schwarz-weiÃ-rote Fähnchen wurden geschwenkt, und ein paar Männer lieÃen eine Flasche Rum kreisen. Auch die Jungen spürten etwas von dem Stolz der Hamburger auf ihre Seefahrt.
Es war spät, als die vier Freunde wieder in Altona ankamen, und Oliver hoffte inständig, dass Mathilde noch nicht zu Hause war. Er hatte den Tag genossen, und er fühlte sich nur ein bisschen müde. Es hatte ihm gutgetan, wieder mit Paul, Harry und Olaf zusammen zu sein. Früher oder später würde er Mathilde erklären müssen, dass er die anderen Jungs nicht aufgeben wollte. Er war ihr dankbar, weil sie sich um ihnkümmerte, aber er war wirklich kein HosenscheiÃer mehr. Im Frühling wurde er zehn, und er konnte nicht tagein, tagaus am Rockzipfel einer Frau hängen.
An der Ecke Norderreihe/GeorgstraÃe trennten sich die Wege der Gruppe.
»Dafür hast du was gut bei mir, Lütter«, sagte Paul zum Abschied.
Oliver ahnte nicht, wie bald er schon die Hilfe des Freundes brauchen würde.
K alt war ihr, furchtbar kalt. Mutti sagte, daran war der Winter schuld, aber Leni verstand das nicht. Im Winter war es immer kalt, deshalb wurde ja auch der Herd in der Küche geheizt. Mit Kohle, die der staubige Mann immer brachte. Er schleppte sie in einem riesigen Sack, unter dem er laut ächzte und stöhnte. Aber Leni glaubte, dass er nur Spaà machte. Wenn er den Sack mit einem lauten Krachen abgestellt hatte, dann lachte er fröhlich. Bestimmt machte ihm das Gewicht nichts aus. Danach klimperte er mit den Münzen in seiner Hand und polterte die Stiege wieder hinunter. Für Leni war das jedes Mal wie ein Fest von Geräuschen. Es waren gute Geräusche. Der Kohlenmann war nett. Einmal war er ihr durchs Haar gefahren, aber danach hatte Mutti furchtbar geschimpft, weil er Leni anscheinend dreckig gemacht hatte.
»Nun guck sich einer die Sauerei an«, hatte Mutti gesagt. »Jetzt muss ich dich schon wieder baden.«
Leni hatte ganz doll die Lippen zusammenpressen müssen, um nicht zu heulen. Sie hasste Baden. Immer kriegte sie Seife in die Augen, und Mutti schrubbte ihren Körper mit einer harten Bürste ab. Nie wieder wollte sie sich von dem Kohlenmann anfassen lassen!
Trotzdem war es schön, wenn er kam. Und wenn er wegwar, machte Mutti Feuer im Herd und lieà die Küchentür ganz weit offen stehen, damit die herrliche Wärme durch die ganze Wohnung zog. In Lenis kleine Kammer kam sie zuletzt, aber Leni wartete immer
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