Die Tortenbäckerin
groÃen Problem zu stellen: Was sollte sie anziehen, um nicht zu fein, aber auch nicht zu schlicht zu wirken? Trotzdem kam die Hausherrin im Laufe des Tages regelmäÃig in die Küche und strapazierte mit ihrer Anwesenheit Gretas Nerven.
»Am Ende lasse ich noch einen schlichten Schmorbraten anbrennen«, murmelte Greta und erntete ein Lachen der Küchenmädchen. »Dann ist es um meinen guten Ruf geschehen.«
SchlieÃlich aber war der Tag überstanden, und die gefürchteten Schwiegereltern schienen mit dem Essen zufrieden zu sein. Die Schüsseln, die in die Küche zurückgebracht wurden, waren jedenfalls leer.
DrauÃen wartete bereits Carl mit der Kutsche, und mitjedem Kilometer, den sie Altona näher kamen, schlug Gretas Herz schneller.
Kurz bevor die Kutsche in die Norderreihe einbog, bekam Greta es mit der Angst zu tun. Ich muss hier raus, dachte sie. Ich mache mich nur lächerlich. Doch sie blieb sitzen, wartete, bis Carl vor dem Stall der Freesens das Pferd durchparierte, abstieg und ihr den Tritt hinunterklappte. Nun gab es kein Zurück mehr. Langsam stieg Greta aus und schalt sich gleichzeitig für ihr Zögern. Wenn sie doch begriffen hatte, dass sie Christoph nicht mehr liebte, wieso war es so schwer, im Herzen den nächsten Schritt zu gehen?
Mit beiden FüÃen stand sie auf dem StraÃenpflaster, und doch war ihr, als schwebe sie in der Luft und liefe Gefahr, die falsche Richtung einzuschlagen. Sie sah Siggo aus dem Stall kommen, sah, wie er im Hof stehen blieb, und nahm seinen Anblick in sich auf. Auf einmal musste sie nicht mehr grübeln, nicht mehr entscheiden. Ihre FüÃe gingen wie von selbst auf ihn zu.
Endlich stand sie vor Siggo, wollte ihre sorgsam formulierte Einladung aussprechen, bekam kein Wort heraus, konnte ihn nur ansehen und dachte: Oh mein Gott, ich liebe ihn. Ich habe ihn schon die ganze Zeit geliebt, seit dem allerersten Augenblick, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Ein Zittern überkam sie, und sie fühlte sich schwach. Liebe, dachte sie, was weià ich schon von der Liebe. Die gab es vielleicht in den Groschenheften, die Tante Mathilde manchmal las. Aber nicht im wirklichen Leben. Da gab es Schmerz und Scham und Hass.
Dennoch â wie anders als mit Liebe konnte sie dieses Sehnen, dieses Brennen in ihrer Brust erklären?
Siggo überwand den letzten kleinen Abstand zwischen ihnen. Er schaute sie mit einem Ausdruck an, den sie nicht zu deuten wusste. War es Abneigung? War es Ãberraschung? Oder gar Freude?
Greta atmete tief ein. Er roch nach Heu und ein wenig nach dem Schweià eines langen Arbeitstages. Alles in ihr sehnte sich danach, in seine Arme zu stürzen, aber sie hatte Angst, er könnte sie zurückweisen.
Greta machte einen Schritt zurück, Siggo folgte ihr nicht, sah sie nur weiter abwartend an. Sie öffnete den Mund, um ihre Einladung auszusprechen, bekam jedoch auf einmal keinen Ton heraus. Sah er denn nicht, was sie fühlte? Spürte er nicht, was in ihr vorging?
Nein, Siggo verschränkte jetzt die Arme vor der breiten Brust, und es schien ihr, als wolle diesmal er Distanz schaffen zwischen ihnen.
»Bist du nicht zufrieden?«, fragte er.
»Wie bitte?«
»Hat Carl seine Arbeit nicht gut erledigt? Ist er zu spät gekommen, hat er sich unbotmäÃig benommen? Oder hat er sich gar verfahren?«
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie ihr junger Kutscher erschrocken zusammenzuckte. Der arme Mann fürchtete sich davor, eine so gute Stellung zu verlieren. Schnell sagte sie: »Aber nein. Er war pünktlich und auÃerordentlich höflich, und den Weg nach Blankenese kennt er genau.«
Carl sandte ihr ein dankbares Lächeln zu. Sie neigte den Kopf, wartete, dass auch Siggo endlich lächeln würde, wartete vergebens.
»Gut.«
Schweigen entstand, schwer, undurchdringlich.
Greta trat von einem Fuà auf den anderen. Was hatte sie hier noch verloren? Sie musste gehen. Sofort. Bevor sie all ihre Selbstachtung verlor. Bevor sie ihm doch noch um den Hals fiel und sich womöglich seinen Spott zuzog. Eine Stimme sagte ihr, Siggo werde niemals über sie lachen, Siggo liebe sie, wie sie ihn liebte. Aber die Stimme war leise und schwach.
Carl war jetzt hinten im Stall auÃer Hörweite. Siggo wirkte ungeduldig.
»Ich gehe jetzt«, murmelte Greta. »Du hast bestimmt noch viel zu tun.«
»Das habe ich wohl.«
Sie rührte sich nicht,
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