Die Tortenbäckerin
Umgang mehr pflegen. Ihr Verhältnis würde rein geschäftlich sein. Jedoch fragte sie sich, wie sie die Pläne, die ihr seit einiger Zeit im Kopf herumgingen, verwirklichen sollte, wenn Siggo nicht mehr der Freund war, den sie brauchte. Kurz vor Weihnachten, als die Idee mit der Leihköchin geboren wurde, da hatten Greta, Siggo und Mathilde sich gemeinsam beraten und waren zu einem guten Ergebnis gekommen. Nun fühlte sich Greta ganz allein. Mathilde würde sie wieder einmal für verrückt erklären, wenn sie ihren Plan in Worte fasste, Siggo interessierte sich möglicherweise gar nicht mehr für Gretas Belange. Er hatte jetzt andere, gröÃere Geschäfte im Kopf. Greta ballte die Hände zu Fäusten und trommelte hilflos auf Violas guten Sessel ein. Wie sie ihr Problem auch drehte und wendete, ihr wollte einfach keine Lösung einfallen. Doch ganz allein, das wusste sie, konnte sie es nicht schaffen.
Und dann fiel ihr voller Schrecken ein, dass sie bei ihren Ãberlegungen Leni vergessen hatte. Sie hörte mit ihrenwirkungslosen Faustschlägen auf und lieà sich schwer in den Sessel fallen. Um ihrer kleinen Tochter zu helfen, war sie weiterhin auf Siggos Freundschaft angewiesen. Greta stöhnte leise auf. Nun gut, dachte sie dann, ich werde Siggo schon bald wieder aufsuchen. Für Leni, nur für meine Leni.
21
D er Lütte frisst mir noch die Haare vom Kopf«, stöhnte Mathilde Voss. »Ich wollte dir eine groÃe Schüssel Rübeneintopf hochbringen, aber Oliver hat alles aufgegessen.«
»Macht nichts«, erwiderte Greta müde. »Ich habe sowieso keinen Hunger.«
Es war Sonntagnachmittag, und sie saà seit einer Stunde reglos im Sessel. Sie hatte keine Kraft, etwas zu kochen, keine Kraft, etwas zu essen.
»Das sehe ich wohl.« Mathildes strenger Blick streifte den Kohleherd, der nur noch einen kläglichen Rest Wärme ausstrahlte. »Du hast dir heute noch keine Mahlzeit zubereitet. Hast du wenigstens heute Mittag bei deinen Herrschaften in Blankenese etwas gegessen?«
Greta wollte schon nicken, schüttelte dann jedoch den Kopf. Sie hatte Mathilde von Veronika von Stelling erzählt, auch davon, wie sehr diese die Arbeit in der Küche überwachte. Es war den Bediensteten streng verboten, vom Essen der Herrschaft zu kosten, und Reste blieben so gut wie nie übrig. Sosehr Veronika von Stelling um ihr Ansehen in der Familie ihres Gatten besorgt war, so sehr neigte sie auch zum Geiz. Mathilde hätte eine Lüge Gretas sofort durchschaut.
»Dachte ich es mir doch. Wenn ich nicht auf dichaufpasse, verhungerst du mir noch. Nun, da muss ich mir wohl etwas überlegen. Ich laufe schnell nach unten und schaue, ob ich noch Eier, Milch und Mehl habe. Dann backe ich dir ein paar Pfannkuchen.«
Sie wollte die Wohnung gerade verlassen, als von der StraÃe her lautes Rufen und Flehen zu ihnen heraufdrang.
»Was ist denn da unten los?«, fragte Mathilde und ging zum Fenster.
Greta hingegen konnte sich plötzlich nicht mehr rühren. Sie kannte diese Rufe sehr genau, und sie wusste, vor dem Haus war gerade die Kutsche von Dr. Hausmann vorgefahren. Bunte Lichter tanzten vor Gretas Augen, und sie ahnte, der Arzt wollte zu ihr.
»Na, so etwas«, sagte Mathilde. »Dr. Hausmann unterbricht seine heilige Sonntagsruhe. Da muss etwas Schlimmes geschehen sein. Aber ich weià von keinem Todesfall im Haus.«
Der alte Arzt war bekannt für seinen strengen Glauben. Nur in Notfällen verzichtete er auf seine vom Herrgott vorgeschriebenen MuÃestunden.
Greta brachte kein Wort heraus.
»Jetzt kommt er herein«, berichtete Mathilde vom Fenster her. »Er hat einem jungen Mann eine Münze zugesteckt, damit er auf das Pony aufpasst und die Leute in Schach hält. Nun kann ich ihn nicht mehr sehen. Was meinst du, wo er ⦠Greta! Was ist mit dir?«
Sie konnte nicht antworten, sie konnte nicht einmal den Blick heben. Ein Tränenschleier legte sich vor ihre Augen, sie starrte auf die abgewetzte Sessellehne, und es schien, als würden die einzelnen bleichen Fäden davonschwimmen. Sie dachte daran, wie oft ihre Mutter hier gesessenhatte, wie sie mit den Fingerspitzen ein paar lose Fäden herausgezupft und dann ein weiÃes, gehäkeltes Deckchen über die Lehnen gelegt hatte. »So sieht es doch viel hübscher aus, nicht wahr?«, hatte Viola dazu gesagt und sich dann ganz aufrecht
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