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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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hingesetzt, obwohl ihr schon kranker Körper immer wieder in sich zusammensacken wollte.
    Die Haltung, dachte Greta plötzlich, die Haltung habe ich von ihr. Und wenn ich nach einem langen Tag am Herd noch so müde bin, ich halte mich immer gerade. Das hatte Viola ihr schon als Kind beigebracht. »Du musst gehen, als hättest du einen Stock verschluckt«, hatte sie gepredigt, und die kleine Greta, so schüchtern, dass sie sich lieber hinter herabgesunkenen Schultern versteckt hätte, musste gehorchen und üben, täglich üben, bis die Mutter endlich zufrieden war.
    Â»Greta! Um Himmels willen! So rede mit mir.« Der ängstliche Klang von Mathildes Stimme verriet jedoch, dass sie bereits selbst ahnte, was kommen musste.
    So verharrten beide Frauen in bedrücktem Schweigen, während langsame, schwerfällige Schritte die Treppen heraufkamen, immer weiter herauf. Ein Stockwerk unter ihnen verharrten die Schritte, und Greta vernahm ein lautes Klopfen an Mathildes Wohnungstür.
    Olivers helle Stimme hallte durchs Treppenhaus, und nun kamen die Schritte nach oben, gefolgt von trippelnden Jungenschritten.
    Greta spürte Mathildes kräftige Hand auf ihrer Schulter. Ob die Tante ihr Trost spenden wollte oder selbst Halt suchte, vermochte sie nicht zu unterscheiden.
    Nun hielten die Schritte erneut inne, diesmal vor Gretas Wohnungstür. Das Klopfen hallte durch die gute Stube,keine der Frauen rührte sich. Endlich rang sich Mathilde zu einem gekrächzten »Herein« durch. Die Wohnungstür war nicht abgeschlossen. Greta besaß gar keinen Schlüssel. Wozu auch? Was gab es hier schon zu stehlen?
    Ein einziger schneller Blick in Dr. Hausmanns Gesicht brachte Greta Gewissheit. Ihre Tränen versiegten, die Augen wurden trocken, bis sie schmerzten. Mühsam wie eine alte, von Arthritis geplagte Frau erhob sich Greta aus dem Sessel.
    Â»Heute habe ich leider keine gute Suppe für Sie«, sagte sie und schlug sich schnell die Hand vor den Mund. Wie konnte sie an etwas so Banales wie Essen denken, wenn … wenn doch …
    Dr. Hausmann zeigte ein kleines Lächeln, obwohl er es sichtlich bedauerte, auf eine von Gretas Suppen verzichten zu müssen.
    Â»Bitte setzen Sie sich wieder, liebes Kind«, sagte er sanft. »Und Sie auch, verehrte Frau Voss. Darf ich Ihnen einen Stuhl holen?«
    Â»Danke, ich stehe lieber«, erwiderte Mathilde mit zitternder Stimme, während Greta sich schwer zurück in den Sessel fallen ließ.
    Â»Mutter«, murmelte sie tonlos. »Bitte sagen Sie mir, dass es Mutter gutgeht.«
    Dr. Hausmann schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich bekam heute früh ein Telegramm von meinem Kollegen aus dem Sanatorium. Ich muss Ihnen mitteilen, dass ihre werte Frau Mutter am Freitagabend sanft entschlafen ist.«
    Gretas Herz verweigerte plötzlich seinen Dienst. In ihrem Inneren wurde es still, kein Blut pulsierte mehr, alles Leben hielt inne.
    Â»Greta!« Mathilde stand plötzlich über ihr und rüttelte sie an den Schultern. »Willst du wohl wieder atmen!«
    Â»Verehrteste, vielleicht dürfte ich …?«
    Da schallten schon zwei Ohrfeigen rechts und links an Gretas Wangen, und vor Schreck holte sie tief Luft.
    Â»Na also«, brummte Tante Mathilde und ließ erst jetzt den Arzt zu Greta.
    Der untersuchte sie gründlich und stellte wohl insgeheim fest, dass gewisse rabiate Methoden manchmal nicht die schlechtesten waren. Im nächsten Moment musste er sich um Mathilde kümmern, die in lautes Weinen ausbrach. Bei ihr kam die Nachricht von Violas Tod jetzt erst richtig an.
    Â»Verdammt!«, rief sie. »Sie war ein so zartes Pflänzchen, und ich habe meinem dummen Bruder Fritz von Anfang an gesagt, dass sie nicht in unsere Familie passt. Sie kam ja aus dem Rheinischen, war ein ziemlich verwöhntes Mädchen. Und der raue Norden war auch nichts für sie. Aber Fritz hat ja nicht auf mich gehört. Der war blind vor lauter Liebe und musste das hübsche Mädchen unbedingt heiraten. Natürlich war sie dann im Haushalt zu nichts nütze. Sie kannte sich mit Gedichten und fremden Sprachen aus, aber nicht mit großer Wäsche oder einem guten Hamburger Eintopf. Alles musste ich ihr abnehmen. Sie war vollkommen hilflos, die Deern. Nun, sie hat wenigstens Greta zur Welt gebracht, und sie hat sich durchgekämpft, auf ihre Art. Ich … ich habe sie bewundert. Sie war in eine fremde

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