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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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zitterte bei der Vorstellung, ein Grenzposten könnte mit seinem Degen in der Kutsche rumstochern.
    Schließlich war es jedoch nicht ein Soldat der Hansestadt Hamburg, sondern Siggo höchstpersönlich, der Oliver aus seinem Versteck zerrte. Das war einige Zeit später, und die Kutsche stand plötzlich still. Zu seinem Schrecken merkte Oliver, dass er eingeschlafen sein musste. Er riss die Augen auf, als eine große Hand sein rechtes Bein packte, kräftig daran zerrte und den ganzen Jungen zum Vorschein brachte.
    Â»Ja, bist du des Teufels?«, rief Siggo aufgebracht. »Was zum Teufel machst du hier?«
    Â»Zweimal Teufel«, gab Oliver frech zurück, der sich im Nu von seinem Schrecken erholt hatte. »Wenn das Greta oder Mathilde hören, dann kommst du in Teufels Küche!« Er fand seinen Scherz gelungen, doch sein großer Freund verzog keine Miene.
    Oliver rieb sich das schmerzende Bein. Siggo hatte wirklich verdammt fest zugepackt. Dann reckte er sich zu seiner vollen mickrigen Höhe hoch und verkündete: »Ich bin hier, um zu helfen.«
    Siggo wirkte immer noch wütend. »Aha. Und wobei, wenn ich fragen darf?«
    Oliver sah voller Schaudern an der grauen Mietskaserne hoch, vor der sie standen. »Was für ein schreckliches Haus.Bestimmt gibt es Wanzen. Hier lebt die kleine Leni? Ich werde dafür sorgen, dass sie nicht mehr leiden muss.«
    Siggo sah aus, als wollte er in lautes Lachen ausbrechen, aber dann kam nur ein bitterer Laut aus seinem Mund. »Du hast gestern alles mit angehört.«
    Oliver nickte. »Es ist eine Schande«, sagte er. Schande war ein Lieblingswort von Mathilde für Missstände aller Art, und Oliver fand, es passte prima. »Wir müssen etwas unternehmen.«
    Nun war die Belustigung in Siggos Blick mehr als deutlich. »Falsch, mien Jung. Ich muss etwas unternehmen. Du bist bloß ein Dreikäsehoch.«
    So leicht ließ Oliver sich jedoch nicht entmutigen. »Pah! Und wie war das mit der Brosche von der blöden Baronin? Habe ich dir da nicht auch geholfen? Wir haben den wahren Dieb erwischt, weißt du das nicht mehr? Und keiner von den feinen Pinkeln konnte mehr behaupten, Greta hätte bei ihnen geklaut.«
    Â»Stimmt schon«, erwiderte Siggo. »Aber eigentlich hast du nicht viel mehr getan, als neben mir auf dem Kutschbock zu sitzen, während wir den jungen Herrn Baron verfolgt haben.«
    Â»Nee«, beharrte Oliver. »Ich habe dich überhaupt erst dazu überredet, zur Villa zu fahren. Ohne mich hättest du gar nichts gemacht.«
    Er sah, dass Siggo verlegen zwinkerte. Der große Freund wurde wohl nicht so gern daran erinnert, dass es tatsächlich Oliver gewesen war, der an jenem Abend im Dezember die Initiative ergriffen hatte.
    Eine Weile stand Siggo noch unschlüssig vor ihm, dann schnappte er das Kuchenpaket vom Sitz und ging auf dendunklen Hauseingang zu. »Also komm mit, wenn du willst«, sagte er über die Schulter. »Schaden kannst du wahrscheinlich keinen anrichten.«
    Oliver tätschelte Max den kräftigen Hals, vergewisserte sich, dass der Wallach gut angebunden war, und flitzte dann hinter Siggo her.
    Als sie die enge Stiege hinaufklommen, wurde ihm flau im Magen. Das Haus war noch viel schlimmer, als er gedacht hatte. Er war alles andere als ein ängstlicher Junge, aber in diesem dunklen, stinkenden Treppenhaus konnte er spüren, wie die Gefahr unter seine Kleidung kroch und sich auf seine Haut legte. Oliver schüttelte sich. So was Beklopptes, dachte er. Ich besuche ein kleines Mädchen. Mehr ist nicht dabei.
    Das Gefühl von drohendem Unheil wollte sich jedoch einfach nicht abschütteln lassen.
    Â»Der Hans ist aber nicht da«, sagte eine grobe Frau, nachdem Siggo mehrfach an die Tür geklopft hatte. Sie klang böse, fand Oliver, aber auch ein bisschen ängstlich. Er kannte diese Sorte Frauen. Davon liefen auch zu Hause in Altona genug herum. Sie waren gemein zu den Kindern auf der Straße und buckelten vor den Bessergestellten. Natürlich waren nicht alle armen Frauen so. Es gab welche, die ihren letzten Kanten Brot mit den heimatlosen Kindern teilten und Worte des Trostes fanden, wenn die Verzweiflung gar zu groß wurde. Aber diese hier gehörte für Oliver eindeutig zu den bösen Frauen.
    Doch auf einmal erschien hinter ihr ein Engel. Er hatte lange blonde Locken, schaute ihn aus Augen an, die so hell waren wie der Himmel,

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