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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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und schwebte in einem weißen Gewand auf ihn zu.
    Oliver kniff sich fest in die Wange und sah noch einmal genauer hin. Ach so, dachte er ziemlich erleichtert. Das Schweben war ein vorsichtiges Gehen und das Engelsgewand bloß eine weiße Kittelschürze. Aber die blonden Locken gab es wirklich, und die Augen, also die Augen … Oliver konnte gar nicht aufhören, das kleine Mädchen anzustarren. Es wirkte so … so wunderschön und … Ganz plötzlich überfiel ihn ein mächtiges Gefühl. Es war wie früher das Magenknurren, wenn er lange nichts gegessen hatte.
    Aber so etwas hatte er überhaupt noch nie gefühlt, und er kriegte es prompt schon wieder mit der Angst zu tun. Vielleicht war das Mädchen ja ein Hexenkind? Und er war jetzt für alle Zeiten verzaubert?
    Rasch kniff er sich in die andere Wange. Das half ein bisschen. Das Mädchen war mittlerweile an der Tür angekommen und sagte: »Es duftet nach Butterkuchen.«
    Herr Jesus im Himmel, dachte Oliver verzweifelt. Jetzt redet sie auch noch mit einer Engelsstimme. Und woher zum Teufel kann sie wissen, was in dem Paket ist? Es riecht doch bloß ganz allgemein nach Kuchen. Gut möglich, dass er gleich schlappmachen und zu Füßen dieses merkwürdigen Mädchens in Ohnmacht fallen würde.
    Â»Guten Tag, Leni«, sagte Siggo freundlich. »Du hast recht. Ich habe dir Butterkuchen von meiner Mutter mitgebracht. Sie hat ihn heute früh extra für dich gebacken.«
    Â»Oh, vielen, vielen Dank, lieber Siggo. Ist Greta auch hier?«
    Â»Leider nicht. Sie muss arbeiten. Aber sie lässt dich herzlich grüßen und will dich ganz bald wieder besuchen. Dafür habe ich Oliver mitgebracht.«
    Â»Oliver? Ist das der tapfere Junge aus Gretas Haus, der ganz allein und ohne Eltern gelebt hat? Wo ist er?«
    Wäre sich Oliver nicht sicher gewesen, dass er Mädchen grundsätzlich doof fand, so hätte er sich einbilden können, dass er sich just in diesem Augenblick in Leni verliebte.
    Â»Tach«, sagte er rau.
    Eine zarte Hand tastete nach ihm, fand ihn, huschte über sein Gesicht. Es fühlte sich an, als hätten sich ein paar Schmetterlinge auf Nase, Stirn und Wangen niedergelassen.
    Oliver musste plötzlich furchtbar niesen. »Hör auf! Das kitzelt!«
    Leni zog die Hand zurück. »Oh, bitte verzeih.«
    Er hätte ihr gern gesagt, dass sie weitermachen solle, aber dabei hätte er sich wahrscheinlich zu Tode geschämt.
    Siggo kam ihm zu Hilfe. »Warum geht ihr beide nicht in Lenis Kammer und esst ein Stück Kuchen? Ich habe mit Frau Kröger noch etwas zu besprechen.«
    Â»Wüsste nicht, was«, sagte die böse Frau. »Und ohne meinen Hans sage ich sowieso nichts.«
    Â»Wir werden sehen«, brummte Siggo.
    Oliver nahm ihm das Kuchenpaket ab und griff dann einfach nach Lenis Hand.
    Â»Die letzte Tür«, flüsterte sie ihm zu und strahlte, strahlte wie ein Engel.
    Zehn Minuten später fragte sich Oliver verzweifelt, ob er krank war. Zum ersten Mal in seinem Leben konnte er nichts essen. Der Butterkuchen duftete verführerisch, aber er bekam keinen einzigen Bissen hinunter.
    Da fragte Leni gerade: »Willst du mein lieber Freundsein? Greta sagt, Siggo ist ihr lieber Freund, und ich möchte auch so gern einen haben.«
    Â»Ã„h … ja.«
    Â»Danke, vielen Dank.« Ihr kleines Gesicht erstrahlte vor Freude.
    Oliver konnte gar nicht damit aufhören, das Mädchen anzustarren. Gleichzeitig verschränkte er seine Hände hinter dem Rücken, um seine schwarzen Fingernägel zu verbergen. Im nächsten Moment schämte er sich fast zu Tode, weil er vergessen hatte, dass sie ja blind war. Er wurde über und über rot, spürte regelrecht die Hitze in seinem Gesicht und war fast froh darüber, dass sie nichts sehen konnte.
    Leni merkte von alldem nichts. Immer noch glücklich lächelnd, brach sie sich geschickt ein winziges Stück Butterkuchen ab und führte es zum Mund.
    Â»Du … du kannst ruhig mehr davon essen«, sagte Oliver. »Es ist genug da.«
    Â»Vielen Dank, aber ich teile mir den Kuchen lieber ein. Dann reicht er länger. Weißt du …«, ihre Stimme wurde zum Flüstern, und er musste ganz dich an sie heranrücken, um sie noch zu verstehen, »neulich hat Mutti die Plätzchen gefunden, die Greta mir mitgebracht hatte. Ich hatte sie auch aufgehoben, aber

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