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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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kamen die Tränen zurück, ein langer Strom aus Tränen. Sie flossen aus ihren Augen, über die Wangen auf Siggos wollene Joppe, und sie spülten ein wenig von dem brennenden Schmerz mit sich fort.
    Lange Zeit später saß Greta wieder im Sessel, während Mathilde auf dem Kohleherd Pfannkuchen buk. Oliver ließ seine Ziehmutter nicht aus den Augen, Siggo saß zu Gretas Füßen auf dem Boden und hörte ihr zu, wie sie von ihrer Mutter erzählte. Nun, da die Worte wieder bei ihr waren, konnte sie gar nicht aufhören, von Viola zu sprechen. Wie fein ihre Manieren gewesen waren, wie goldenihr hellbraunes Haar aufgeleuchtet hatte, wenn ein Sonnenstrahl ihr Haupt traf, wie schön sie Gedichte rezitierte, wie …
    Â»Jetzt halt den Mund und iss etwas, Kind«, befahl Mathilde und hielt ihr einen dampfenden Teller unter die Nase. »Und du, Oliver, bekommst auch gleich etwas. Pass nur auf, dass dir nicht die Augen aus dem Kopf fallen.«
    Mathilde hatte sich wieder gefangen. Die einfache Tätigkeit des Kochens hatte ihr dabei geholfen. Greta fühlte sich durch Siggos Anwesenheit getröstet, und sie aß tatsächlich ein paar Happen von dem süßen Pfannkuchen.
    Der Abend hatte sich schon seit langem über Altona gelegt, als Greta spürte, dass mit Siggo etwas nicht stimmte. Er war von Mathilde ebenfalls mit einem riesigen Pfannkuchen versorgt worden, hatte ihn aber kaum angerührt. Er lauschte zwar Gretas Erzählungen, aber sie spürte, dass seine Gedanken von Zeit zu Zeit abschweiften. Mathilde hatte sich einen Stuhl geholt. Ihr Kopf sackte immer wieder auf die Brust. Oliver hatte sich auf den Dielenbrettern in eine alte Decke eingerollt und schien fest zu schlafen.
    Schließlich verstummte Greta und blickte Siggo prüfend an. »Du hast etwas auf dem Herzen.«
    Er winkte schnell ab. Zu schnell, fand sie.
    Â»Mach dir darum keine Gedanken. Es ist nichts.«
    Â»Lüg mich nicht an. Was ist geschehen? Hast du Ärger? Gibt es einen neuen Konkurrenten? Oder geht es deinem Vater wieder schlechter?«
    Siggo schüttelte den Kopf. Sie bemerkte, wie er rasch zu Mathilde hinüberschaute. Inzwischen lag der Kopf der Tante fest auf der Brust, die Augen waren geschlossen.
    Greta spürte einen Stich in ihrem Innersten. »Sag es mir«, bat sie leise.
    Zögernd legte er ihr seine große Hand auf den Arm. Greta wollte zurückzucken, doch dann fühlte sie seine Wärme, und sie hielt still.
    Â»Marianne Krause ist krank geworden. Ein schweres Fieber, das schon seit Tagen nicht weichen will.«
    Es dauerte nur einen Moment, bis Greta verstand. »Sie können Leni nicht aufnehmen.«
    Â»Nein, zumindest nicht im Moment. Aber bitte, mach dir keine Sorgen, wir finden eine andere Lösung. Ich werde noch einmal mit Wilhelm sprechen, und ich selbst kenne ja auch viele Leute. Bestimmt finden wir bald eine Familie, die uns helfen kann.«
    Er hatte »uns« gesagt, und das hätte sie trösten müssen, doch sie konnte keinen Trost empfinden. Greta wusste genau, wie schwer es sein würde, eine andere Familie zu finden. Die Krauses waren ein einmaliger Glücksfall gewesen. Wer von den anständigen Leuten war schon bereit, ein fremdes, behindertes Kind aufzunehmen und zudem dessen Geheimnis zu wahren?
    Erst die Nachricht von Mutters Tod und nun dies. Es war zu viel auf einmal. Nur mühsam konnte Greta ein Schluchzen unterdrücken. Gerade wollte sie Siggo noch etwas zuflüstern, da ließ die Stimme der Tante sie beide zusammenzucken.
    Â»Was ist das hier für eine Geheimniskrämerei? Wer ist Marianne Krause? Und wer ist Leni? Ich erwarte eine klare Antwort.«
    Â»Oh Gott«, murmelte Greta.
    Siggo schaute von Mathilde zu Greta. »Vielleicht ist esgut so«, sagte er. »Irgendwann muss sie es erfahren. Warum nicht jetzt?«
    Greta fühlte plötzlich einen heißen Zorn auf Siggo. Was wusste er schon? Wie konnte er nachfühlen, was eine junge Frau empfand, die einen Bastard geboren hatte? Was ahnte er von der Schande, der sie ausgesetzt sein würde, sobald sich Lenis Existenz herumsprach? Nichts! Er war ja ein Mann!
    Mathilde saß jetzt sehr aufrecht. »Greta, ich bitte dich, beim Gedenken an deine Mutter. Sag mir die Wahrheit.«
    Verzweifelt wünschte sich Greta, ihr Herz möge wieder aufhören zu schlagen, doch nichts dergleichen geschah. Eine Weile schwieg sie noch, aber schließlich

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