Die Tortenbäckerin
Marmelade«, versprach er Paul.
»Lieber mit Speck«, knurrte dieser, wirkte aber besänftigt.
»In Ordnung.«
»Und mindestens drei.«
Oliver nickte ergeben.
»Was ist denn mit dem Pausenbrot?«, fragte Harry und leckte sich die Lippen.
Oliver nickte und zog ein in Zeitungspapier eingewickeltes Päckchen hervor.
»Was, nur ein einziges?«, meckerte Paul. »Ist Mathilde jetzt knauserig geworden? Na, wenigstens mit dicker Wurst drauf. Hier.« Er reichte den beiden anderen je einen kleinen Kanten und behielt das meiste für sich. Harry und Olaf wagten nicht zu protestieren.
In Wahrheit hatte Oliver noch zwei weitere Brote dabei, gut versteckt in seinem Hosenbund. Aber die musste er für Leni aufheben. Ihm selbst knurrte allerdings der Magen, wenn er nur daran dachte. Die zwei Löffel Haferbrei, die er unter Tante Mathildes scharfem Blick gegessen hatte, waren wirklich nicht genug gewesen. Oliver spürte den leichten Druck der Brote an seinem Bauch und musste sich zwingen, an etwas anderes zu denken.
Als die Freunde ihr Frühstück verschlungen hatten, sah er sich in dem kleinen Kellerraum um. »Ihr habt noch nicht geheizt«, schimpfte er.
Er konnte es sich leisten, neuerdings so frech zu reden. Seit er Paul, Harry und Olaf mit Essen versorgte, war sein Ansehen in der Gruppe enorm gestiegen.
»Das hat doch Zeit, bis wir mit der Lütten hier sind«, erwiderte Paul, während er das Zeitungspapier nach den letzten Krümeln absuchte.
Oliver schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Es muss warm sein, wenn wir kommen. Leni hat lange genug gefroren.«
Er ging zu dem alten Kohleherd und öffnete die Klappe. Das Ding ähnelte dem Herd, den auch Greta besaÃ, war aber in weitaus weniger gutem Zustand. Um diesen kleinen Raum zu beheizen, reichte er jedoch. Oliver hatte ihn bei einem Trödler gefunden und zahlte nun jede Woche fünfzig Pfennig dafür ab.
Den Kellerraum hatte dagegen Paul aufgetan. Er lag unter einem verlassenen Mietshaus, das demnächst abgerissen werden sollte, und war zum Erstaunen der Jungen kein feuchtes, unbewohnbares Loch wie die meisten Keller, sondern verfügte über anständig verputzte Wände und einen HolzfuÃboden. »Möchte wetten, hier hat mal jemand gewohnt«, hatte Paul gesagt, als er Oliver den Raum gezeigt hatte.
Man gelangte über den Hof zum Eingang, und niemand wusste davon, auÃer den vier Freunden. Schon bei der ersten Besichtigung war Oliver begeistert gewesen. Dies war das ideale Versteck. Es musste nur noch wohnlich eingerichtet werden. Nach dem Kohleherd brachten die Jungen einige Bretter her und zimmerten daraus ein kleines Bett. Dann folgten ein paar Obstkisten, die Harry und Olaf auf dem Markt »organisiert« hatten. Sie dienten nun als Tisch und Stühle. Reichlich trockenes Stroh besorgteOliver aus Siggos Stall, und die beiden Wolldecken von Mathilde verwandelten das Bretterbett in eine gemütliche Schlafstätte.
Oliver ging in die Hocke, zündete ein Streichholz an und warf es in den Herd, wo ein paar zusammengeknüllte Zeitungsseiten Feuer fingen und die darunterliegenden Briketts zum Glimmen brachten. Innerhalb weniger Minuten breitete sich eine wohlige Wärme im Kellerraum aus.
»Gut«, sagte Oliver zufrieden und richtete sich auf. »Nun können wir fahren.«
Die anderen drei wechselten ein paar schnelle Blicke, und plötzlich klopfte Olivers Herz bis zum Hals.
»Was ist los? Habt ihr es euch etwa anders überlegt?«, fragte er.
»Du weiÃt, dass es gefährlich ist, was wir vorhaben«, sagte Paul langsam. »Das ist eine Entführung. Wenn sie uns erwischen, wandern wir ins Kittchen.«
»Oder gar ins Kinderheim«, ergänzte Harry, was seiner Meinung nach offenbar viel schlimmer war.
Olaf beschränkte sich darauf, angewidert das Gesicht zu verziehen.
Fast, aber nur fast hätte Oliver gelacht. Seine Freunde klauten Obst und Kartoffeln auf dem Markt, stibitzten den Fischersfrauen am Hafen ihre Heringe aus den Körben und tranken den besoffenen Männern in den Kneipen die Biergläser leer, ohne dass diese es merkten. Sie brachen in das Lager von Kommerzienrat Müller ein und holten gerade so viel Kaffee und Pfeffer heraus, dass niemand etwas bemerkte. Die Ware verhökerten sie dann an die Hausfrauen in der GeorgstraÃe. Sie schlichen sich sogar beim Weinhändler Eberle in den Keller und brachten
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