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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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diegestohlenen Weinfässchen dann bei den Seeleuten gewinnbringend an den Mann. Paul, Harry und Olaf stahlen sich nur so durchs Leben, aber jetzt bekamen sie es plötzlich mit der Angst zu tun?
    Nein, Oliver konnte nicht lachen. Hier ging es um Leni, und seine Freunde durften nicht kneifen.
    Sein Herz klopfte immer schneller, trotzdem sagte er ruhig: »Ist schon klar. Das ist wirklich ziemlich gefährlich, was wir vorhaben. Ist nur was für richtige Kerle. Lasst man gut sein. Ich finde schon andere, die mir helfen und sich jeder eine Mark verdienen wollen.«
    Â»Eine Mark für jeden?«, fragte Harry gierig. »Davon hast du noch gar nichts gesagt.«
    Â»Muss ich wohl vergessen haben.« Oliver wusste zwar noch nicht, wie er das Geld beschaffen sollte, aber irgendwas würde ihm schon einfallen. Zur Not würde er Siggo um einen Vorschuss bitten. Der zahlte ihm inzwischen ganze siebzig Pfennige in der Woche, und dafür arbeitete Oliver jeden Tag nach der Schule im Stall. Allerdings blieben ihm nur zwanzig Pfennige übrig, wenn er dem Trödler sein Geld gegeben hatte.
    Paul dagegen starrte den Kleinen wütend an. Er fühlte sich in seiner Ehre gekränkt, und genau das hatte Oliver beabsichtigt. »Ganze Kerle, ja? Und du meinst, wir sind keine ganzen Kerle?«
    Â»Habe ich nicht behauptet«, murmelte Oliver. Ein bisschen störte es ihn, dass er Paul so leicht durchschauen konnte. Früher einmal hatte er den älteren Freund für sehr klug gehalten. Inzwischen ahnte er, dass Paul ein ziemlich durchschnittlicher Junge war. Pfiffig zwar, aber nicht besonders fix im Oberstübchen.
    Â»Dann ist es ja gut«, sagte Paul. »Also los, Jungs, worauf warten wir?«
    Zehn Minuten später bestiegen vier Jungen den Pferdeomnibus nach Hamburg. Sie alle waren jetzt wortkarg, und jeder Einzelne mochte sich wie Oliver fragen, ob ihr waghalsiges Unternehmen gelingen würde.

A lles war still. Leni atmete ein und atmete aus, aber sie schaffte es, dabei kein Geräusch zu machen.
    War es noch Nacht? Nein. Leni konnte einen Lichtschimmer ausmachen, der durch das Fenster ihrer Kammer drang. Ein neuer Tag brach an.
    Die Nacht war laut gewesen, furchtbar laut. Leute waren in der Wohnung gewesen. Viele Leute. Wie viele genau, wusste Leni nicht. Mutti hatte sie schon früh ins Bett geschickt, ohne Abendbrot. Unter dem Dielenbrett hatte Leni noch ein Stück Wurst von Oliver gefunden. Voller Freude hatte sie die Wurst in der Hand gehalten und ihren würzigen Duft eingeatmet. Aber dann war es plötzlich so schrecklich laut geworden in der Stube, und Leni hatte vor Angst nicht essen können.
    Die Leute redeten, sie sangen, und sie schrien sich an. Am lautesten war Vati, und einmal hatte Leni ganz genau gehört, was er sagte: »Ich hab’s satt, den Domestiken für diese arrogante Köchin und ihren Kutscher zu spielen. Denen werde ich zeigen, wer der Herr im Haus ist. Lotte, hol das Gör her.«
    Leni hatte angefangen, furchtbar zu zittern, aber Mutti war nicht gekommen. Das Geschrei war danach noch lauter geworden.
    Um nicht so viel Angst zu haben, dachte Leni über das neue Wort nach. Domestiken. Aber sie kam einfach nicht darauf, was das sein sollte. Sie nahm sich vor, Oliver zu fragen, wenn er sie wieder besuchte. Oliver war klug. Er wusste einfach alles. Fest eingeklemmt in ihre Ecke zwischen Bett und Schrank, dachte Leni ganz angestrengt an Oliver. Das half ein bisschen.
    Manchmal wollte ihr Kopf auf die Knie sinken. Müde war sie, schrecklich müde. Aber jedes Mal fuhr Leni erschrocken wieder hoch. Wenn sie einschlief, dann würde sie vielleicht nicht mitbekommen, wenn Mutti sie doch noch holen kam. Oder Vati, der so gefährlich roch. Leni versuchte sich daran zu erinnern, ob Vati früher anders gerochen hatte. Es gelang ihr nicht. Heute stieg ihr nur noch ein scharfer und bitterer Geruch in die Nase, von diesem Zeug, das er immer trank. Wenn er herumschrie, roch er auch nach Angst. Aber da war Leni sich nicht ganz sicher. Vielleicht kam dieser Geruch auch von ihr selbst.
    Irgendwann trat Stille ein, nur hin und wieder hörte Leni ein leises Schnarchen.
    Sie hätte jetzt ins Bett krabbeln können, aber sie schaffte es nicht. Ihre Beine wollten ihr nicht gehorchen. Ganz steif waren sie und fühlten sich an, als ob sie nicht mehr zu ihrem Körper gehören würden.
    So hockte sie in der Stille und wusste, dass ein neuer Tag begonnen

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