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Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)

Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tortenkönigin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Conrad
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mir.
    »Und dann sollen wir darauf warten, wann es dem gnädigen Fräulein Tochter wieder zu langweilig wird? Werden dein Vater und ich dann wieder vor vollendete Tatsachen gestellt? Weißt du eigentlich, wie sehr du deinen Vater enttäuscht hast, Helene?«
    Ihre Königin-Beatrix-Frisur, die ja jetzt auch schon zwei oder drei Tage auf dem Buckel hatte und mittlerweile wie die Parodie einer Parodie aussah, geriet in Unordnung, so sehr echauffierte meine Mutter sich bei diesem Thema. Sie sprang auf und bewaffnete sich mit einem Putzlappen, mit dem sie an der Spüle heftig nicht vorhandenen Schmutz wegschrubbte – eine klassische waltraudsche Übersprungshandlung. Wahrscheinlich hätte sie mir den Lappen viel lieber um die Ohren gehauen.
    Weil ich nicht – und auch sonst niemand – reagierte, wütete sie weiter und keifte mich über ihre Schulter an, während sie wie eine Irre das Spülbecken wienerte und ihr die Haare um den Kopf tanzten.
    »Ja, da wird sie stumm, unsere weit gereiste Helene. Ein eigenes Geschäft in Paris – warum auch erst einmal klein anfangen wie die dummen Eltern in der Provinz?«, zeterte sie. »Na, jetzt hast du dich ja schön blamiert, nicht wahr? Ich habe es von Anfang an gewusst!«
    »Das hatten wir doch vorhin schon mal. Du solltest als Wahrsagerin arbeiten«, fiel mir aus dem Mund, bevor ich mein Gehirn einschalten konnte.
    Meine Mutter ging prompt hoch wie eine Rakete. » Was? Willst du jetzt auch noch pampig werden, junge Dame?«
    »Schick mich doch ohne Abendbrot ins Bett«, schlug ich vor. Mein Gehirn stolperte mir atemlos hinterher und blökte, ich solle endlich meine blöde Klappe halten, aber das Kind war längst in den Brunnen gefallen.
    Meine Mutter drehte sich zu mir um und zischte: »Treib mich nicht zum Äußersten, Helene. Bisher habe ich noch nie einem meiner Kinder die Tür gewiesen, aber …«
    Sie kam nicht weiter, denn meine Oma schlug mit der Faust auf den Tisch – buchstäblich. Dann sagte sie sehr streng: »Ihr seid jetzt beide still. Statt uns zu freuen, dass wir gemeinsam am Tisch sitzen, wird hier gestritten, das dulde ich nicht. Helene, du bist uns immer herzlich willkommen, das weißt du hoffentlich. Hier wird niemandem die Tür gewiesen, also wirklich.«
    Meine Mutter schnappte nach Luft, wagte aber keinen Widerspruch, und mein Vater, der Oma dankbar zunickte, brummte: »Du kannst morgen früh anfangen, Helene. Sechs Uhr. Im Laden. Dann sehen wir weiter.«
    Hieß im Klartext: Ich war auf Bewährung. Bevor mein Vater mich wieder in die Backstube lassen würde, war mein Platz hinter der Verkaufstheke.
    Mein Herz tat einen kleinen Hüpfer, aber er stand auf und verließ die Küche, bevor ich mich bedanken konnte.
    »Bei mir wäre es nicht so leicht gegangen wie bei deinem Vater«, schnappte meine Mutter.
    »Waltraud, lass das Mädchen in Ruhe.«
    Meine Oma hatte nicht einmal die Stimme erhoben, aber meine Mutter sah aus, als würde sie jede Sekunde der Schlag treffen. Sie stürmte ohne ein weiteres Wort an uns vorbei aus der Küche.
    »Die kriegt sich schon wieder ein.« Meine Oma grinste. »Ich freue mich, dass du wieder hier bist, Kind. Ich habe nur leider keine Zeit mehr, ich bin verabredet – aber vielleicht darf ich dich später besuchen kommen, was meinst du?«
    »Aber gern! Hast du Lust, mit uns zu essen?«
    Ich freute mich wirklich. Meine Oma war, seit sie nur noch ausnahmsweise im Laden stand, auf ihre alten Tage geradezu aufgeblüht, als sie nach und nach entdeckt hatte, was man alles unternehmen kann, wenn man viel Zeit und ein paar Euro in der Jackentasche hat.
    Im Gang vor der Küche umarmten wir uns zum Abschied.
    »Du hast Kummer, nicht wahr?«, fragte sie leise.
    Ich nickte und sagte: »Später.«
    »Du kannst das Rad gleich mitnehmen, wenn du willst. Wir sehen uns dann um sieben.«
    Sie ging zur Hintertür hinaus, und ich stand unschlüssig im halbdunklen Flur herum. Irgendwo im Haus hörte ich meine Mutter staubsaugen, aber ich wollte kein neues verbales Gemetzel heraufbeschwören. Hinter der Schwingtür gleich neben mir war mein Vater.
    Kurz entschlossen stieß ich die Tür auf.
    Mein Vater stand über die Hochzeitstorte gebeugt und klebte aus kleinen, goldenen Zuckerperlen ein kompliziert verschnörkeltes Muster auf.
    »Ich wollte mich nur bei dir bedanken, Papa«, sagte ich.
    Er sah hoch und lächelte mich an, dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu.
     
    Ich holte Omas vorsintflutliches Fahrrad aus dem Gartenschuppen hinter dem Haus

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