Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
und schob es auf die Straße. Dass es regnete, machte mir nichts aus. Es war nicht kalt, mein Anorak hatte eine Kapuze, und es schüttete nicht gerade aus Eimern. Vom hellgrauen Himmel fiel sanfter Spätfrühlingsregen, bei dem die Regentropfen irgendwie weniger nass zu sein schienen.
Ich schwang mich in den Sattel und gondelte gemütlich durchs Dorf und dann ein wenig durch die Landschaft, bis die Beine meiner Jeans dunkelblau vor Nässe waren und ich langsam zu frieren begann.
Auf dem Rückweg nach Hause kam ich an einem Supermarkt vorbei und kaufte dort für das Abendessen ein. Ich war erstaunt, wie vielfältig und breit sortiert das Angebot war, aber Pfingsten stand vor der Tür, und der Handel stellte sich bereits auf den bevorstehenden Ansturm der Touristen ein.
Ich wusste, wie gern meine Großmutter Pralinen und Konfekt naschte und auch durchaus offen für ungewöhnliche Ideen war. Ein kurzer Check ergab, dass ich hier alles finden würde, was ich dafür brauchte. Sie liebte Portwein, also könnte ich Würfel aus Portweingelee machen, dazu noch ein Konfekt vielleicht, irgendetwas mit Nusskrokant und Bitterschokolade.
Ich verstaute meine Einkäufe in zwei Plastiktüten. Gott sei Dank hatte Omas Fahrrad Drahtkörbe sowohl am Lenker als auch auf dem Gepäckträger, sonst hätte ich jetzt ein Transportproblem gehabt.
Beschwingt radelte ich nach Hause.
Ich konnte es kaum erwarten, die Konditorin in mir endlich mal wieder freizulassen und damit den Schmerz zu betäuben, der in meinem Innern tobte.
KAPITEL 13
Als Marie an diesem Tag nach Hause kam, fand sie mich in der Küche vor, in der ich jeden Zentimeter Arbeitsfläche für meine kleine Pralinenfabrik okkupiert hatte.
Wie ein Chirurg sein Operationsbesteck hatte ich mein Werkzeug ausgebreitet, nachdem ich mir mit beinahe schon religiösem Ernst eine meiner weißen Schürzen umgebunden hatte. Ich suchte aus Maries Musikangebot eine Best of von George Michael aus und drehte die Lautstärke hoch. Beschwingt löste ich Erdnüsse aus ihren Schalen und hackte sie klein, ließ in einem Topf Zucker karamellisieren, während in einem zweiten eine Mischung aus Portwein, Glukosesirup und Zucker köchelte und darauf wartete, mit eingeweichter Gelatine verrührt zu werden.
Ich steppte summend zwischen dampfenden Töpfen, Schneidebrett und Spüle hin und her. In der Küche duftete es nach einer Mischung aus Kindergeburtstag und Weihnachtsmarkt. Zum Erdnusskaramell gab ich eine Spur Thymian, das Portweingelee versetzte ich mit einem Hauch Lavendel.
Marie kam herein, als ich die beiden heißen Massen gerade zum Abkühlen in zwei flache, rechteckige Backrahmen gab.
»Ah – Pralinen!«, rief sie. »Endlich! Ich hatte schon befürchtet, du hättest vielleicht eine … ich weiß nicht … eine Pralinenhemmung oder so was.«
»Pralinenhemmung?«, prustete ich. »Was soll das denn sein?«
»Wie eine Schreibhemmung bei einem Schriftsteller halt.« Sie beugte sich über die kleinen Backrahmen und schnupperte. »Was wird denn das? Das duftet lecker.«
»Erdnusskrokant mit Thymian und Portweingelee mit Lavendel. Wenn alles ausgekühlt ist, schneide ich es in Stücke, und dann …«
»Tunken wir es in Schokolade«, fiel sie mir ins Wort.
»Nur das Krokantkonfekt. Die Geleestücke wälzen wir in Kristallzucker. Ach, übrigens, meine Oma kommt zum Abendessen. Das ist dir doch recht?«
Marie lächelte. »Helene, du wohnst hier. Du kannst einladen, wen immer du willst. Und auf die Gesellschaft deiner Oma freue ich mich, die ist klasse. Ich gehe kurz duschen, dann helfe ich dir.«
Die Spülmaschine mit den benutzten Schüsseln, Töpfen und sonstigen Gerätschaften lief schon, als Marie zurück in die Küche kam und sagte: »Ich will alles wissen.«
Ich ließ den Kartoffelschäler sinken und fragte verdutzt: »Was willst du alles wissen?«
»Du warst doch bei deinen Eltern? Oder hast du deine Oma zufällig auf der Straße getroffen?«
Stimmt ja – der Antrittsbesuch bei meinen Eltern … daran hatte ich gar nicht mehr gedacht, so viel Spaß hatte ich mit dem Konfekt gehabt.
Also erzählte ich ihr von meinem Mittagessen in der Bernauerschen Küche, während Marie sich um den Salat und die Fischfilets kümmerte und ich dem Konfekt das Finish verpasste.
Marie lachte, als ich von der Reaktion meiner Mutter und unserem Streit berichtete.
»Du hast gut lachen«, nörgelte ich, »aber ich habe mich gefühlt wie ein kleines Kind. Dass sie mich immer noch derart
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