Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
provozieren kann! Wenn Oma nicht eingegriffen hätte …«
»Was dann?«, fiel mir Marie kichernd ins Wort. »Hättet ihr euch gegenseitig mit Teigschabern angegriffen? Oder mit Brötchen beworfen?«
»Ha. Ha. Ha. Wirklich, wirklich witzig.«
»Mensch, Helene – ihr werdet immer Mutter und Tochter bleiben, egal, wie alt du bist. Selbst wenn du sechzig bist, wird sie an dir rummeckern wie damals, wenn du deine Schulaufgaben vertrödelt oder den Hamsterkäfig nicht sauber gemacht hast. Sei einfach cool und strecke sie mit Freundlichkeit und Gelassenheit zu Boden. Klappt bei Majestix auch. Der kann sich aufführen, wie er will – ich reagiere einfach nicht. Der könnte im Baströckchen und von Kopf bis Fuß lila bemalt im Büro aufkreuzen oder nur noch in Reimen sprechen, ich würde nicht mal mit der Wimper zucken, schwör ich dir.«
Die Haustürklingel ertönte.
»Da ist deine Oma«, sagte Marie. »Was hältst du davon, wenn du eine kleine Hausführung machst, während ich den Tisch decke?«
»Oh, hier sieht es ja ganz anders aus«, stellte meine Großmutter fest, als ich ihr die Tür öffnete. Natürlich kannte sie dieses Haus, aber seit Tante Almas Tod war sie nicht mehr hier gewesen.
Von meinem Zimmer war sie begeistert, und natürlich entdeckte sie sofort das gerahmte Foto aus der Zeitung. Sie umarmte mich gerührt. Ich führte sie überall herum, auch durch den Garten, bis wir in der Küche bei Marie landeten.
»Das hast du wunderbar gemacht, Marie«, sagte Oma. »Alma würde es auch gefallen, da bin ich sicher. Und dass du ein paar von ihren Möbeln behalten hast, finde ich besonders schön.«
Während des Essens redeten wir nicht viel, sondern genossen Maries Kochkünste.
Zum Dessert setzten wir uns ins Wohnzimmer, und Schorsch tauchte auf und rollte sich schnurrend neben meiner Großmutter auf dem Sofa zusammen. Ich servierte Espresso und stellte eine Platte mit dem Konfekt auf den flachen Couchtisch.
Oma war natürlich besonders entzückt vom Portweingelee, damit hatte ich ihren Geschmack genau getroffen. Wir fachsimpelten eine Zeit lang über die Rezeptur und deren Variationsmöglichkeiten. Schließlich lehnte sie sich zurück und fragte: »Was ist wirklich in Paris passiert, Helene?«
Ich wusste, sie fragte nicht aus Sensationsgier, sondern weil sie sich Sorgen machte. Niemand anderem aus meiner Familie würde ich diese Frage wahrheitsgemäß beantworten.
Sie unterbrach mich nicht, während ich ihr alles erzählte. Sie schwieg auch, als ich zwischendurch ein paar Tränen vergoss, und ließ mir die Zeit, mich wieder zu beruhigen. Währenddessen beschäftigte sie sich mit Schorsch, der sich auf den Rücken gerollt hatte und sich von ihr die dicke Wampe kraulen ließ. Auch als ich weiterreden konnte und die geplante Hochzeit erwähnte, gingen als einziger Kommentar nur kurz ihre Augenbrauen hoch.
»Bitte – das muss unser Geheimnis bleiben, Oma«, bat ich, »das darf niemand wissen. Wenn Mama oder Susanne davon erfahren …«
Ich schauderte beim bloßen Gedanken daran.
Sie lächelte maliziös.
»Hab schon kapiert. Das wäre ein gefundenes Fressen für die beiden. Keine Sorge, ich schweige wie ein Grab. Hab ein bisschen Geduld mit deiner Mutter, Helene. Dein Weggang damals hat sie ungeheuer verletzt. Sei sicher, deine Eltern freuen sich sehr über deine Rückkehr, auch wenn sie es nicht zeigen können.«
Sie knabberte nachdenklich an einem Stück Krokantkonfekt.
»Ich bin jedenfalls glücklich, dass du ab morgen wieder bei uns arbeitest. Vielleicht sollten wir auch Pralinen anbieten, also die hier sind wirklich exzellent …«
»Du kennst doch Papa.«
Sie ignorierte souverän meinen Einwand. »Schade, dass Muttertag gerade vorbei ist, da hätten wir gut Konfektboxen anbieten können, um es mal auszuprobieren … hm … in klein, mittel und groß … ich muss mal recherchieren, was diese kleinen, hübschen Pappschachteln so kosten. Und kalkulieren, was wir dafür nehmen müssten … hm … vielleicht fünf Euro für die kleine Box – oder ist das zu billig?«
Ich musste lachen. »Hör bloß auf! Lass mich erst einmal meine Bewährung an der Ladentheke bestehen, sonst kriegt Papa Schnappatmung.«
Sie zwinkerte mir zu. »Aber planen können wir doch schon mal ganz heimlich … muss ja keiner wissen!«
KAPITEL 14
Am nächsten Morgen quälte ich mich um fünf Uhr aus dem Bett. Fünf Uhr!
Früher war ich an Arbeitsbeginn zu nachtschlafender Zeit gewöhnt, aber mittlerweile
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