Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
…?
Ich taumelte mit halb geschlossenen Augen durchs Haus, duschte, zog mich an, band meine Locken zu einem Zopf und saß schließlich am Küchentresen und schlürfte eine Tasse Tee. Ein Frühstück sparte ich mir; schließlich würde ich in einer Viertelstunde bis zum Kinn in Backwaren stehen.
Für den Weg zur Arbeit nahm ich das Fahrrad – aber ich fuhr nicht direkt dorthin, sondern sauste in der erfrischenden Kühle des frühen Morgens auf dem extra für Touristen angelegten Fahrradweg einmal um das Dorf herum, um richtig fit zu werden.
Ich stellte das Rad an der Hintertür ab und ging ins Haus.
Es duftete nach frischem Brot und frischen Brötchen, und ich wusste, mein Vater stand schon seit drei Uhr in der Backstube.
Meine Mutter behandelte mich freundlich, aber reserviert, als sie mich einwies, was ich zu tun hatte, bevor der Laden um sieben die Tür öffnen konnte. Ich füllte Weidenkörbe in der Auslage mit Brötchen aller Art, das Regal hinter dem Tresen mit frischen Broten und überprüfte, ob der Tütenvorrat aufgefüllt werden musste. Dann holte ich aus der Backstube die süßen Hefeteilchen und Bleche mit Obstplunder, Cremetörtchen und Nussecken und füllte damit die noch leeren Fächer der Auslage in der Theke.
Zu guter Letzt band ich mir die blauweiß gestreifte Latzschürze um, die jeder, der hinter der Verkaufstheke der Bäckerei Konditorei Cäcilie Bernauer Et Sohn stand, zu tragen hatte. Ich hatte mir sogar extra ein feines, dunkelblaues T-Shirt mit langen Ärmeln angezogen, um möglichst adrett auszusehen und meinen ersten Arbeitstag nicht mit einem Vortrag beginnen zu müssen, den mir meine Mutter über adäquates Aussehen hielt.
Um Schlag sieben Uhr schloss ich die Ladentür auf und konnte direkt Fräulein Behrens begrüßen, die an mir vorbeimarschierte und zu meiner Mutter sagte: »Na, Waltraud, springt Helene für Marianne ein, was? Hast dir ganz umsonst Sorgen gemacht. Drei Brötchen, bitte. Und ein halbes Pfund Schwarzbrot. Dünn geschnitten.«
Während der nächsten zwei Stunden schien das halbe Dorf durch unseren Laden zu marschieren. Zu meiner Erleichterung zeigte sich niemand sonderlich erstaunt, dass ich wieder hinter der Theke stand und die warmen, knusprigen Brötchen in Papiertüten füllte. Alle gingen wie selbstverständlich davon aus, dass ich für die schwangere Marianne hier war.
Um kurz vor neun kam Marie in den Laden gestürmt, um die tägliche Kuchenration für ihren Chef zu kaufen. Meine Mutter war gerade von einer Kundin abgelenkt, die mehrere Kuchenplatten für eine Feier orderte.
Marie beugte sich über die Theke und raunte: »Und? Wie war es bis jetzt?«
»Völlig okay«, flüsterte ich zurück, »alle denken, ich bin wegen Marianne hier, keiner stellt blöde Fragen.«
»Super. Wir sehen uns später.« Marie reckte strahlend beide Daumen und zog mit dem kleinen Kuchentablett ab, auf dem zwei Stücke Frankfurter Kranz ihrem raschen Ende entgegensahen.
Gegen zehn Uhr war der Betrieb stark abgeflaut, nachdem dann auch alle Touristen, die es jetzt schon in unsere Gegend verschlagen hatte, versorgt waren.
»Wenn du willst, kannst du Frühstückspause machen«, sagte meine Mutter. »Hat ja ganz gut geklappt bis jetzt.«
Aufpassen, Waltraud. Das wäre ja aus Versehen beinahe ein Kompliment geworden!
Ich hängte meine Schürze an den dafür bestimmten Haken im Flur und schlenderte in die Küche. Auf dem Tisch stand ein Korb mit Brötchen, und ich goss mir aus der riesigen Warmhaltekanne einen großen Becher Kaffee ein. Frische Milch fand ich im Kühlschrank.
Ich setzte mich an den Küchentisch und schlug die Tageszeitung auf, die mein Vater vermutlich schon vor Stunden gelesen hatte. Ich kannte das Ritual seit Jahren: der jeweilige Zeitungsbote kam frühmorgens in die Backstube, und mein Vater tauschte ein frisches Rosinenbrötchen gegen die Zeitung.
Hmm … beim Gedanken an Rosinenbrötchen bekam ich direkt Appetit und freute mich wie eine Schneekönigin, als ich im Brotkorb tatsächlich eines fand.
Die gute Laune sollte mir allerdings schnell vergehen. Als sich die Tür hinter meinem Rücken öffnete, rechnete ich mit meiner Mutter oder meinem Vater. Aber so viel Glück hatte ich nicht.
Meine Schwester ließ sich mir gegenüber auf einen Stuhl fallen. Sie glühte vor Aufregung. Ganz sicher hatte meine Mutter gestern mit ihr telefoniert, um sie über alles zu informieren.
Susanne verschränkte die Arme vor der Brust und sagte: »War wohl nicht so
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