Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
verschränkte Arme und geneigter Kopf.
»Was meinst du? Du bist der mit dem Fotografenblick.«
»Ich glaube, ich weiß, was nicht stimmt. Der Turm wirkt … ich weiß nicht … die Küchlein sind nicht mehr als Einzelstücke zu erkennen, die ein Ganzes bilden.«
Er hatte recht. Und damit war die Idee dahinter zum Teufel.
»Wir müssen mit unterschiedlichen Schattierungen dieser Farbe arbeiten. Mit mehr Kontrasten. An die Arbeit.«
Wir kneteten Fondant und arbeiteten Lebensmittelfarbe ein, Tropfen für Tropfen, um verschiedene Variationen dieses Pinktons herzustellen. Nach zwei Stunden lagen sieben Klumpen auf dem Tisch, und ich hatte sieben Schattierungen zur Auswahl. Das würde den Turm lebendig machen.
Mittlerweile erklang aus dem Radio langsamer Swing, der inzwischen mitternächtlichen Sunde angemessen. Ich griff nach dem Nudelholz, um den ersten Klumpen Fondant auszurollen, aber Patrick hielt meine Hand fest und nahm es mir sanft weg.
»Lass uns tanzen, wir haben für heute genug getan.«
Ich wich unwillkürlich einen Schritt zurück. »Tanzen? Hier? Aber ich kann nicht tanzen.«
Er folgte mir und nahm wieder meine Hand. »Blödsinn, jeder kann tanzen. Ich führe dich, ist ganz leicht. Nur ein bisschen hin und her wiegen …« Er zog mich mit einem Ruck an sich und legte mir den Arm um die Taille.
Es stimmte, es war ganz leicht. Ich schmiegte mich an ihn und ließ mich von ihm führen.
»Meine arme Windsbraut«, murmelte er, »so müde, dass sie nicht einmal mehr tanzen kann.« Er feixte. »Das hätte mir vor zwei Monaten mal jemand prophezeien sollen, dass ich mitten in der Nacht in einer Backstube mit der schönen Bäckerin Klammerblues tanze – und am liebsten für immer hier bleiben würde.«
»Das ist nur, weil es gerade exotisch für dich ist«, murmelte ich zurück, und sein Schritt stockte. Er hielt mich eine Armlänge von sich weg und sagte: »Das ist nicht fair. Du lebst doch auch hier und sehnst dich nicht in eine große Stadt. Ich meine es ernst.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht, Patrick. Du fühlst dich hier wohl, hier ist es landschaftlich schön und mit Sicherheit ruhiger als in Berlin. Aber ich bin auch nur zufällig hier. Weißt du, eigentlich sollte ich jetzt in Paris hinter der Ladentheke meiner eigenen kleinen Patisserie stehen und eine glückliche, frisch verheiratete Frau sein. Ich bin erst seit ein paar Monaten wieder in Middelswarfen. So viel dazu. Und jetzt kommst du daher und findest es gerade mal schick, ein Faible für das Leben auf dem Dorf und für die schlichte, aber wirklich nette Dorftussi zu entwickeln. In zwei Wochen ist hier alles vorbei, und du wirst das Dorf und mich schnell vergessen haben.«
»Ich meine es ernst, Helene. Ich möchte gern Zeit mit dir verbringen.«
Er zog mich plötzlich an sich und küsste mich. Während ich noch mit mir rang, ob ich das zulassen wollte oder nicht, mir mit der Entscheidung aber jede Menge Zeit ließ, klingelte natürlich sein Handy. Wir fuhren auseinander und starrten uns erschrocken an. Wir wussten beide, wer da gerade anrief, mittlerweile weit nach Mitternacht. Das blöde Handy piepste und piepste, und schließlich sagte ich: »Geh schon ran.«
»Was?«, bellte er ungeduldig in den Hörer.
Ich ging leise zum Radio, um es abzustellen. Womöglich drehte sie noch mehr durch, wenn sie Musik hörte. Aber wer weiß, vielleicht wollte ich auch nur besser verstehen, was sie sagte.
»Wo bist du?«, drang prompt Chantals übliche Gesprächseröffnung aus dem Hörer.
»Im Bett. Guck mal auf die Uhr.«
»Allein? Oder mit der fetten Kuh?«
Offenbar war ihr Vokabular echt beschränkt. Patrick schien das ähnlich zu empfinden, denn er verdrehte die Augen und stöhnte: »Nicht schon wieder, bitte. Ich bin im Bett, und ich bin allein. Reicht das?«
»Du kannst mir viel erzählen. Ich glaube dir nicht!«
Womit sie ja nun mal die richtige Ahnung hatte, das musste ich ihr lassen. Ich war Zeugin dabei, wie Patrick seine Freundin belog.
Er wimmelte sie tatsächlich ab und zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Das hat sich für dich bestimmt seltsam angehört, ich lüge meine Partnerin normalerweise nicht an, aber die Situation ist momentan etwas sensibel, und ich habe Angst, dass sie das Shooting nächste Woche platzen lässt. So schnell finde ich keinen Ersatz.«
»Tja, und ich als fette Kuh stelle natürlich keine Option dar.«
Er sah mich bestürzt an. »Wieso sagst du so etwas? Wie kannst du nur so über
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