Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
noch weniger. Durch dich droht höchste Gefahr! Du bist lebenslustig, fröhlich, hübsch – und du isst, was du willst! Nicht nur das: du backst süße, leckere Kuchen! Glaubst du, dat dürre Schantall würde sich nicht gern in Buttercreme wälzen oder mit Pralinen vollstopfen? Und wenn wir Patrick richtig verstanden haben, bestimmt sie, was es zu Hause zu essen gibt. Abgezählte Salatblätter und gedünstete Möhren, das ist alles. Die hat Angst, du backst ihn in dein Bett!«
Später, vor dem Einschlafen, dachte ich über ihre Worte nach.
Du hast mich in dein Bett gekocht – das hatte Leon immer gesagt. Hatte Marie womöglich recht mit ihrer Theorie und Chantal befürchtete, ich würde Patrick von meinen Petits Fours abhängig und mir hörig machen? Das war doch lächerlich. Aber was mir komplett lächerlich erschien, mochte für Chantal völlig plausibel sein. Und in dem Fall sollte ich vielleicht die letzten ruhigen Tage genießen, bevor die Stabheuschrecke anreiste.
Am nächsten Mittag beehrte Susanne uns zum Mittagessen. Da die Backstube mit den beiden Aushilfen mehr als ausreichend besetzt war, hatte ich das tägliche Kochen übernommen. Wir hatten mittlerweile durchgehend geöffnet, also setzte meine Mutter sich nie lange an den Tisch, weil sie die Saison-Aushilfen im Laden nicht allein lassen wollte. Aber heute sollte das Dorffest besprochen werden, und ich hatte keine Möglichkeit, mich dem zu entziehen.
Ich deckte gerade den Tisch für uns drei, als Susanne hereinkam und sich sofort hinsetzte. Sie hätte eigentlich mal fragen können, ob sie mir helfen kann, dachte ich, aber von meiner Schwester war das nicht zu erwarten. Stattdessen sagte sie: »Ich habe gehört, du hast Sven mal wieder brüskiert?«
Das fing ja gut an. Lächeln, ruhig bleiben, nicht laut werden, hämmerte ich mir ein und antwortete: »Ich lasse mich ungern in etwas hineindrängen. Ich fühle mich damit nicht wohl.«
»Natürlich, verstehe. Du stolperst lieber blöde in die nächste Misere und triffst die nächste Fehlentscheidung für dein Leben, anstatt mal etwas Schlaues zu tun.« Sie sah mich herausfordernd an.
Ruhig bleiben, ruhig bleiben, ruhig bleiben … Ich zählte langsam bis zehn. »Ich weiß nicht, ob es schlau wäre, mich auf einen Mann einzulassen, den ich nicht oder kaum kenne, nur weil seine oder meine Familie oder beide es so wollen.«
»Stimmt, es gibt ja schon den nächsten Künstler , dem du schöne Augen machst, da kann der arme, solide Sven natürlich nicht mithalten.«
»Der arme, solide Sven hätte auch keine Chancen bei mir, wenn er der allerletzte Mann auf der Welt wäre, Susanne. Und lass gefälligst Patrick aus dem Spiel. Das ist eine rein geschäftliche Verbindung.«
»Du bist so unglaublich dumm, Helene. Sven könnte dir eine gesicherte Zukunft bieten, eine gesellschaftliche Position, die der meinen und der unserer Eltern angemessen wäre.«
»Großer Gott – wir sind doch nicht die Kennedys! Drehst du jetzt völlig durch? Gesellschaftliche Stellung – du spinnst doch.«
Sie schnappte nach Luft und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. Immerhin hielt sie die Klappe. Vermutlich hatte sie keine Lust darauf, dass ich ihr wieder Essen an den Kopf warf.
Königin Waltraud rauschte herein und setzte sich an den Tisch. Sie sah erschöpft aus. Ihr blieb der momentane Stress genauso wenig in den Kleidern stecken wie mir.
»Hast du Hunger?«, fragte ich, und sie nickte müde.
Ich füllte unsere Teller mit der frischen Hühnerbrühe, die ich morgens vorbereitet hatte, und setzte mich zu ihnen. Meine Mutter und Susanne tauschten Dorftratsch aus, der mich nur mäßig interessierte. Ich räumte die zwischenzeitlich geleerten Teller ab und stellte Kaffeetassen auf den Tisch.
Susanne zog eine Mappe aus ihrer Umhängetasche und schlug sie auf. Sie blätterte durch eine Sammlung von Plänen, Listen und eng mit der Hand beschriebenen Seiten.
»Steht schon fest, wo unser Stand sein wird?«, fragte meine Mutter.
Susanne fischte den entsprechenden Plan aus dem Blätterstapel und faltete ihn auseinander. »Das ist der Aufbauplan«, erklärte sie stolz und deutete auf ein Quadrat, in dem unser Name stand. »Hier stehen wir. Der beste Platz überhaupt, direkt am Eingang zur Scheune.« Sie kicherte und fügte mit einem beredten Blick auf mich hinzu: »Manchmal ist es eben von Vorteil, mit einem Mann verheiratet zu sein, der etwas zu sagen hat.«
»Und der seine Position ausnutzt, um seiner
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