Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
Familie einen finanziellen Vorteil zu verschaffen«, murmelte ich, »sehr nobel, ich bin beeindruckt. Und auch ein bisschen neidisch auf dich.«
»Dieser Standort ist für uns angemessen«, sagte Susanne streng, »die Konditorei Bernauer ist das wichtigste Geschäft im Ort und wird an entsprechend prominenter Stelle präsentiert.«
»Toll. Und damit ruinieren wir all den Hausfrauen mit ihrem selbst gemachten Blechkuchen den Umsatz.«
»Die müssen auch keine Standgebühr bezahlen«, gab Susanne zurück, »und sie verkaufen ihren Kuchen wesentlich günstiger. Dafür kann man an unserem Stand sitzen und wird bedient. So kann jeder frei entscheiden.«
Ich zog mir den Plan heran und studierte ihn. Zwei Bierwagen, zwei Bratwurstbuden, ein Kinderkarussell, ein Streichelzoo, Trödelmarkt. In der großen Scheune gab es eine Bühne, einen Tresen, die Künstlergarderoben und jede Menge Bierbänke und -tische.
»Künstlergarderoben?«, warf ich amüsiert in den Raum. »Ein großes Wort für drei Plastikpavillons.«
»Sei nicht so arrogant«, sagte meine Mutter, während sie den Plan aufmerksam studierte. »Und das Programm?« Sie hob den Kopf und sah meine Schwester an.
»Ach, das habe ich ja noch gar nicht erzählt!«, rief Susanne. »Heute Morgen hat der Hauptkünstler abgesagt!«
»Dann singt der Shantychor halt zweimal. Wer sollte denn kommen?«, fragte ich.
Um ehrlich zu sein, nichts hätte mich weniger interessieren können, aber da wir gerade so etwas wie eine normale Unterhaltung führten, wollte ich meinen guten Willen durch ein wenig Small Talk demonstrieren. Immer zu streiten war auf Dauer wirklich anstrengend, und ich hatte nichts gegen eine kleine Gefechtspause.
»Serena Wolkenstein«, antwortete Susanne in einem Ton, der voraussetzte, dass mir der genannte Name tatsächlich ein Begriff war.
War er natürlich nicht. Serena Wolkenstein – was für ein bekloppter Name. Ganz sicher ein Künstlername für eine Schlagersängerin mit falschen Locken und in Klamotten, die es ausschließlich im Schlagersängerbedarf zu kaufen gab. Woanders hatte ich zumindest diese … nun ja … speziellen Outfits der Damen und Herren aus dieser Branche noch nie gesehen.
»Was macht die so? Ich meine … künstlerisch?«
»Sie ist eine bekannte Schlagersängerin«, erklärte Susanne und sang zu meiner Verblüffung: »Wenn der Zigeuner in mir und der Zigeuner in dir zusammen tanzen, dann gerät, dann gerät, dann gerät meine Welt ins Wanken …« Meine Mutter schunkelte im Takt und summte die mir völlig unbekannte Melodie mit.
Da stecke ich doch lieber meine Haare in Brand, ehe ich mir das anhöre, dachte ich, aber dann fiel mir ein, dass dieser Kelch an mir vorübergehen würde, weil die Dame ja abgesagt hatte.
»Und wer tritt außerdem auf?«
Susanne zählte das Übliche auf: eine Kindertanztruppe, ein Gospelchor, ein Männerballett – hier kicherten meine Mutter und meine Schwester, während ich mir überlegte, dass ich mir zu meinen brennenden Haaren noch Holzstifte unter die Fingernägel stecken würde, um das nicht sehen zu müssen. Außerdem würde alle zwei Stunden ein Krabben-Wettpulen stattfinden, von dem Einheimische ausgeschlossen waren.
Wir besprachen die Details zum Personaleinsatz, und Susanne kramte noch eine Überraschung aus ihrer Umhängetasche. Sie breitete ein weinrotes T-Shirt aus und faltete eine gleichfarbige Halbschürze auseinander. Beide Teile waren mit der Aufschrift »50 Jahre Konditorei Bernauer« in silberner Schnörkelschrift bedruckt.
»Das war Lutz’ Idee«, posaunte Susanne stolz wie Oskar und warf sich in die Brust, »jeder am Stand wird das tragen. Wir haben auch weinrote Servietten bedrucken lassen. Ein Geschenk aus dem Hause Bürgermeister Schmidt!«
Meine Mutter war begeistert, und ich gönnte ihr die Freude. Solange die beiden Drachenfrauen gute Laune hatten, konnte ich immerhin hoffen, dass sie sich nicht auf mich stürzen würden.
Abends kam Patrick in die Backstube, und wir machten uns daran, auf einer hohen Etagere, die er mitgebracht hatte, einen Turm aus vielen kleinen, himbeerfarbenen Petits Fours zu konstruieren. Er hatte außerdem ein Kofferradio besorgt, und wir stapelten die Törtchen immer wieder neu, während wir Oldies aus den Sechzigern mitsangen.
»Ich weiß nicht recht«, sagte ich und trat einen Schritt zurück, um die achte Variation des Turms kritisch zu begutachten. Patrick stellte sich neben mich und kopierte perfekt meine Pose: vor der Brust
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