Die Toskana-Verschwörung: Thriller (German Edition)
Marmorstufen empor und schaute kurz in einen der links und rechts angebrachten großen Spiegel mit Gipsrahmen, die mit goldener Farbe gestrichen worden waren. Ein blasser Mann mit tiefen Augenschatten sah ihm entgegen.
Als er die Tür zum Büro erreicht hatte, blieb er einen Augenblick stehen und horchte. Es war völlig still im Haus, und er glaubte, sein Blut in den Adern rauschen zu hören.
Vorsichtig schob Carlo den Schlüssel in das obere Sicherheitsschloss und dreht ihn nach rechts. Zweimal gab es ein leichtes Klack-Geräusch. Wieder horchte er. Außer dem Rauschen einer Wasserleitung aus dem oberen Stockwerk war nichts zu hören. Er schob den Schlüssel in das untere Schloss und öffnete auch dieses.
Im Flur blieb er stehen. Nur das Surren des Kühlschranks aus der Miniküche war zu hören. Er versuchte, beim Auftreten möglichst leise zu sein, hatte aus diesem Grunde Turnschuhe angezogen und auf seine schweren Arbeitsstiefel mit den Stahlschutzkappen verzichtet.
Endlich hatte er Cellis Arbeitszimmer erreicht und stellte die Werkzeugtasche auf den Boden vor den Stahlschrank. Er nahm die rote Mappe heraus und legte sie auf den Tisch. Vorsichtig steckte er den Schlüssel, der kleiner war als die anderen, ins Schloss und zog den Zylinder heraus. Ebenso vorsichtig zog er die oberste Lade heraus. Leise surrten die Kugellager. Er nahm die Mappe und legte sie hinein. Dann schob er die Lade wieder zurück. Sein Atem ging stoßartig.
»Vielen Dank, Signore Sebaldo, abschließen kann ich selbst.«
Die schnarrende Stimme stach Carlo wie spitze Messer in beide Ohren. Ein Gefühl im Magen setzte ein, als stürze er in die Tiefe. Alle Muskeln verkrampften sich. Er fuhr herum.
Celli sah völlig gelassen aus. Sein Mund hatte sich zu einem spöttischen Grinsen verzogen. In der Hand hielt er eine kleine Pistole. Dann wich sein Grinsen einem eiskalten Gesichtsausdruck. Seine Stimme wurde scharf und ausdruckslos. »Nehmen Sie den Stuhl da, stellen Sie ihn in die Mitte, und setzen Sie sich!«
Widerspruchslos führte Carlo den Befehl aus.
»Jetzt stecken Sie die Arme nach hinten durch die Verstrebungen in der Lehne.«
Celli war hinter ihn getreten und hielt Carlo die Pistole dicht an den Kopf. Gleichzeitig spürte er kaltes Metall an den Handgelenken und hörte das einrastende Geräusch der Handschellen. Celli ging um den Stuhl herum und schaute Carlo herablassend an. »Es grenzt schon an Beleidigung, für wie dämlich Sie mich halten. Kurz nach unserer ersten Begegnung ist mir eingefallen, wo ich Ihr Gesicht schon einmal gesehen hatte. Da saß ich aber leider schon im Flugzeug. Wir haben über jeden von Ihnen ein Dossier angelegt, natürlich auch mit Fotos. Ich hätte Sie sogar erkannt, wenn Sie sich die Haare blond gefärbt hätten.«
Carlo schnaubte. Etwas juckte in seinem Gesicht, aber wegen der Handschellen konnte er sich keine Erleichterung verschaffen.
»Und was machen Sie jetzt mit mir? Holen Sie die Polizei?«
Celli lachte auf. Seine Augen funkelten teuflisch. »Die Polizei?! Sie naiver Tölpel. Im Moment sind Sie so wertvoll, wie Sie es noch nie in Ihrem Leben waren. Aber darauf brauchen Sie sich nichts einzubilden. Lange wird Ihr Leben sowieso nicht mehr dauern.«
*
Robert eilte den Flur entlang und rief: »Susan, komm runter, ich hab’s!«
Es dauerte keine dreißig Sekunden, und Susan war auf dem Weg nach unten. »Das ist ja toll. Wie hast du das geschafft?«
Robert hatte sich wieder auf den Rückweg zu seinem Atelier gemacht. Susan lief ihm nach. Auf dem Arbeitstisch lagen unzählige Blätter mit handgeschriebenen Buchstaben- und Zahlenkolonnen.
Er schob ein paar davon zur Seite und setzte sich. »Die simpelste Methode war mal wieder die richtige. Wie ich euch gestern erzählt habe, hat der Schlüssel in den meisten Fällen etwas mit dem Umfeld zu tun. Wer ist in diesem Fall die zentrale Figur?«
Susan überlegte. »Dieser unheimliche Anwalt?«
»Nein, nach wessen Schatz haben wir denn die ganze Zeit gesucht?«
»Ach, du meinst Mussolini!«
Robert stand wieder auf und begann hin- und herzugehen. »Genau. Also habe ich es erst einmal mit seinem Namen versucht. Dann mit dem Namen seiner Frau, seiner Kinder, seiner Geliebten. Fehlanzeige. Dann mit seinem Geburtsdatum. Ging auch nicht. Dann mit seinem Todestag. Ebenfalls nicht. Daraufhin habe ich mir überlegt, ob es ein herausragendes Datum in seinem Leben gab, und dann hat es sofort geklappt.«
Susans Augen irrten auf den beschriebenen Seiten hin
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