Die Toskana-Verschwörung: Thriller (German Edition)
sie?«
»Wen?«
Donatella machte eine Kunstpause. »Die Americana!«
Robert hätte in diesem Augenblick gern einen Schrei ausgestoßen, den man bis Siena hätte hören können. Er hatte sich aber schnell wieder im Griff. »Mamma, hast du mir überhaupt zugehört?«
Donatella schloss für Sekunden die Augen. »O doch, Roberto, o doch. Und ich bitte dich: Denk an den Ruf deiner Familie!«
Nichts zu machen , dachte Robert, obwohl er eine gewisse Erleichterung spürte, weil die Last des vermeintlichen Totschlags von ihm abgefallen war. Geh jetzt, bevor etwas Schlimmeres passiert. »Mamma, ich muss jetzt …«
Er beugte sich zu seiner Mutter hinunter und wollte ihr zwei Küsse auf die Wangen hauchen, als ihm plötzlich eine Idee kam.
»Mamma, du kennst dich doch gut aus mit den Familienclans in dieser Gegend. Sagt dir der Name Sebaldo irgendwas?«
Donatella blickte ihren Sohn verständnislos wegen des abrupten Themenwechsels an. »Was sagst du? Sebaldo? Ja, den Namen gibt es hier ziemlich oft.« Sie deutete auf den Sessel, von dem Robert sich gerade erhoben hatte. »Der Tischler, der den Sessel aufgearbeitet hat, heißt zum Beispiel Sebaldo.«
»Tatsächlich? Und wie heißt er mit Vornamen?«
Donatella fasste mit zwei Fingern an ihre Nasenspitze. »Hmm … Mario. Nein, Claudio. Nein, jetzt weiß ich es. Carlo. Er heißt Carlo Sebaldo.«
*
Vicchio, die Geburtsstadt des berühmten Malers Giotto mit den imposanten Festungsanlagen aus dem vierzehnten Jahrhundert, liegt rund fünfundzwanzig Kilometer von Florenz entfernt. Da nur wenige Autos an diesem Nachmittag in diese Richtung unterwegs waren, hatte Robert sein Ziel schnell erreicht. Langsam fuhr er durch die schmalen Gassen, die zur Piazza führten. Kaum ein Mensch war zu sehen. Nur eine alte Frau in einem schwarzen Kleid überquerte mit einem Korb in der Hand die Straße.
Robert kurbelte die Scheibe hinunter. »Scusa, Signora, können Sie mir sagen, wo ich den Tischler Carlo Sebaldo finde?«
Die alte Frau blieb stehen. »Sie sind fast da. Sehen Sie das Haus mit der blauen Tür? Das ist Carlos Haus.«
»Grazie«, sagte Robert und kurbelte die Scheibe wieder hoch.
Die Tür zur Werkstatt stand offen. Es roch sehr angenehm nach frisch gehobeltem Holz, nach Harz und Leim. Mitten im Raum standen eine Band- und eine Kreissäge, daneben ein Stapel von zugeschnittenen Brettern. Die Werkzeuge, die an Hakenleisten an der Wand hingen, waren sorgsam nach Funktion und Größe aufgereiht. Mehrere Neonröhren an der Decke beleuchteten die Werkstatt, denn durch die kleinen Fenster fiel nur wenig Licht.
Ein kleiner, untersetzter, schwarzhaariger Mann mit einer hellen Schlägermütze und einem dunklen Schnauzbart stand an einer Drehbank und schnitt mit einem winzigen Stecheisen eine Verzierung in einen rund zwanzig Zentimeter langen rotierenden Holzstab. Durch den Krach des Drehbankmotors hörte er Robert nicht kommen.
»Das sieht interessant aus. Was wird das?«
Der Tischler, der um die Vierzig sein mochte, schaute kurz auf. »Ein neues Bein für einen alten Kinderstuhl.«
Robert hatte eine Idee. »Können Sie auch Figuren für Brettspiele herstellen?«
Sebaldo nickte ohne aufzusehen. »Sicher!«
»Also, wenn ich Skizzen mache, könnten Sie danach Prototypen anfertigen?«
Der Tischler zog das Stecheisen zurück und stellte den Motor ab.
Robert streckte ihm die Hand entgegen.
»Buon giorno, ich bin Robert Darling.«
Der Andere erwiderte seinen Gruß. »Carlo Sebaldo. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich entwickle Spiele, Brettspiele, zu denen meistens Figuren gehören. Und die Entwicklung dieser Figuren – das ist eine ganz besondere Arbeit.«
»Und wie kommen Sie auf mich?«
»Ihr Ruf eilt Ihnen voraus. Sie haben auch schon für meine Mutter gearbeitet«, sagte Robert lächelnd.
Sebaldo kratzte sich am Kopf. »Wie war der Name? Darling? Kenne ich nicht.«
»Nein«, sagte Robert, »meine Mutter heißt Medici, Donatella Medici!«
Carlos Gesicht hellte sich auf. »Ah, Signora Medici. Ja, die kenne ich gut. Sie hat wunderschöne Möbel.«
»Und ein anderer Bekannter«, sagte Robert, »hat Sie auch empfohlen.«
»Und wer?«
»Es ist ein Freund aus Deutschland. Sein Name ist Kurt Sonthofen.« Sebaldos Gesicht verfinsterte sich. »Das kann nicht sein.« Robert schaute ihn fragend an. »Wieso nicht?«
Sebaldo widmete sich wieder seinem Stuhlbein. »Das ist meine Sache. Wann bringen Sie Ihre Skizzen?«
Hör auf, Roberto. Für den Anfang reicht es. Jetzt nicht
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