Die Toskana-Verschwörung: Thriller (German Edition)
ein Irrsinn der Geschichte. Sein Vater hat den Krieg dort überlebt, und er kommt dort um. Mitten im Frieden.«
Robert wurde hellhörig. »Sein Vater war im Krieg in Italien? Ach ja, ich glaube, Kurt hat so was mal erwähnt.«
Henriette schüttelte den Kopf. »Nicht den ganzen Krieg über. Er war in Russland, in Norwegen, und zum Schluss, ich glaube ab Mitte 43, da war er in Italien.«
Robert tat so, als müsste er nachdenken. »Könnte es sein, dass Kurt sehen wollte, wo sein Vater gewesen ist? Er ist doch wohl gestorben, als Kurt noch ein Kind war.«
»Ja«, sagte Henriette, »1954 war das. Karl-Hermann ist ja auch krank aus dem Krieg wiedergekommen. Richtig erholt hat er sich nie.«
Robert räusperte sich. »Wahrscheinlich hat er schreckliche Dinge gesehen. Das ging ja vielen so.«
Henriette schüttelte wieder den Kopf. »Nein, ich glaube, es war etwas anderes. Er hatte wohl etwas getan, was er zutiefst bereute. Maria hat kurz vor ihrem Tod so eine Andeutung gemacht. Und sie hat es auch Kurt erzählt. Aber mehr weiß ich nicht.«
Robert schaute auf die Uhr. »Ich habe Sie jetzt schon viel zu lange aufgehalten, Frau Kleinert. Ich werde jetzt gehen. Ich muss das alles erst einmal verarbeiten.«
Henriette brachte ihn zur Tür. »Es tut mir leid, dass ich Sie so erschrecken musste, Herr …«
Robert reichte ihr die Hand. »Miller. Robert Miller. Auf Wiedersehen!«
Robert ging die Treppen hinunter und hatte ein schlechtes Gewissen. In Gedanken vertieft trat er auf die Straße. Darum bemerkte er auch nicht den Mann mit dem grauen Sommermantel, dem schütteren Haar und der altmodischen Brille, der langsam hinter ihm her ging.
*
Mit der S-Bahn fuhr Robert bis zum Bahnhof Friedrichstraße. Den restlichen Weg zum Hotel wollte er zu Fuß zurücklegen. Beim Gehen konnte er besonders gut denken.
Er musste an Carlo Sebaldos Worte denken: »Die Deutschen sind doch dafür bekannt, dass sie alles aufheben …« Das stimmte. Es musste irgendwo ein Archiv geben, in dem die Soldaten der Deutschen Wehrmacht verzeichnet waren. Das herauszufinden konnte nicht schwierig sein.
An der Ampel Ecke Friedrichstraße/Unter den Linden musste Robert stehen bleiben. Während er auf das grüne Männchen wartete, entdeckte er auf der anderen Straßenseite die Schaufenster von Bentley Motors. Diese Autos hatten ihn schon immer begeistert. Eine Minute später stand er im Schauraum vor dem neuen Modell Brooklands.
Schade. Auch diese ehrwürdige Marke richtet sich bereits nach dem Windkanal. Die alte, eckige Form der englischen Prestigekarrosse hatte ihm wesentlich besser gefallen. Erst vor kurzem hatte er in einem Buch über Oldtimer geblättert und war bei dem legendären S 2 Continental hängen geblieben . Er beschloss, nach solch einer antiken Schönheit Ausschau zu halten, sobald er wieder zu Hause war.
Ein Verkäufer mit einer dezent blauweiß gestreiften Krawatte, die er zu einem dunkelblauen Anzug trug, kam lächelnd auf ihn zu. »Kann ich Ihnen helfen, mein Herr?«
Robert schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich wollte mir den neuen Brooklands nur einmal ansehen. Aber er gefällt mir nicht sonderlich.«
Das Lächeln des Verkäufers verschwand. Er nahm Haltung an und begann mit einem Vortrag über die Vorteile der Modernisierung des Dreihunderttausendeuroschlittens.
Aber Robert hörte nicht zu, denn er starrte wie gebannt durch das riesige Schaufenster in das Menschengewühl auf der Friedrichstraße. Das kann doch nicht sein, das musst du dir einbilden. Oder ist es einfach eine Doppelgängerin? Aber nein … Robert traute seinen Augen nicht.
Draußen ging Francesca Sacconi hastig auf die Ampel zu.
Ohne ein Wort der Erklärung lief Robert aus dem Laden und versuchte, sich einen Weg durch das Gewühl zu bahnen. Der Verkäufer blieb ratlos und mit offenem Mund zurück.
Francesca – oder die Person, die er mit ihr verwechselte – war bereits auf dem Mittelstreifen angekommen. Die Ampel für Fußgänger wurde Rot, Motoren heulten auf. Trotzdem rannte Robert auf die Straße. Bremsen kreischten, wütendes Hupen folgte.
»Wohl besoffen, wa?!«, brüllte ein Taxifahrer aus dem Fenster seines Wagens. Robert machte einen Satz zurück, stolperte über eine Steinkante und schlug auf den Boden auf. Die anderen Fußgänger starrten ihn an. Keiner sagte ein Wort.
Sekunden später hatte er sich wieder aufgerappelt und spähte auf die andere Seite. Von einer Francesca war nichts mehr zu sehen. Er klopfte den Straßenstaub aus seiner
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