Die Toskana-Verschwörung: Thriller (German Edition)
dieses Medium zwar höchst suspekt, aber er hatte beschlossen, auch hier uneingeschränkter Marktführer zu werden.
Seine Mitarbeiter fürchteten den Choleriker. Er erschien ohne Ankündigung in Meetings und Abteilungskonferenzen und mischte sich auch in scheinbar unbedeutende Vorgänge ein. Doch nicht nur im eigenen Haus wurde er gefürchtet. Er nahm auch keine Rücksicht auf Verluste, um Politiker, deren Entscheidungen er für absoluten Schwachsinn hielt – und davon gab es eine ganze Menge –, in den Blättern seiner Boulevardpresse zu geißeln und zur Strecke zu bringen. Störenfriede zu erledigen gehörte zum Lebensinhalt des passionierten Jägers. Zehn Minister, einen Vizekanzler und sechs Staatssekretäre hatte er auf diese Weise in den Genuss des vorzeitigen Ruhestandes gebracht. Ihre Fotos prangten als Jagdtrophäe auf einer Pinnwand hinter Grimms Schreibtisch.
Grimms Frau Adelheid lebte im spanischen Marbella in einer komfortablen Villa mit zwölf Zimmern, genoss das Leben in Gesellschaft mittelloser, aber dennoch stets aktuell gestylter Jünglinge, deren Sympathie sie sich durch großzügige Zuwendungen sowie die Hilfe moderner Chirurgie sicherte.
Grimm selbst gönnte sich zweimal im Jahr jeweils eine Woche Urlaub unter spanischer Sonne, war aber auch dort so vernetzt, dass er sich zu jeder Tages- und Nachtzeit zwar nicht in die Freizeitgestaltung seiner Frau, dafür aber in alle Verlagsangelegenheiten einmischen konnte. Eine außereheliche Liaison war ihm bisher nicht nachzuweisen. Es war allerdings nicht bekannt, ob ein Mangel an Interesse oder Gelegenheit dafür verantwortlich war.
An diesem Dienstag im August herrschte sonderbare Stille im achten Stock des Verlagsgebäudes. Grimms Chefsekretärin Irmtraud Jahncke, die es zur großen Verblüffung aller nun schon im achten Jahr mit dem Despoten aushielt, ging auf Zehenspitzen über den Flur und verjagte jeden, der dort nichts zu suchen hatte. Sie wusste, was es bedeutete, wenn Grimm die Anweisung gab, in den nächsten zwei Stunden auf keinen Fall gestört zu werden.
Richard Feldstein versuchte, möglichst positiv zu wirken. »Wenn Sie gestatten, Herr Grimm, möchte ich Ihnen erst einmal vom aktuellen Stand unserer Aktion berichten.« Er zog eine Akte aus einer Ledermappe.
»Aber bitte nur die Fakten, kein Geschwafel«, knurrte Grimm.
Feldstein nickte heftig und blickte den dritten Mann kurz an. »Oberst Scherf hat präzise Arbeit geliefert. Die Vorbereitungen für unser Projekt sind so gut wie abgeschlossen. Er wird sich später dazu äußern. Das Unternehmen Benito kann mit hoher Wahrscheinlichkeit noch in diesem Jahr beginnen. Ich komme nun zu den Einzelheiten …«
*
Robert hatte die Post aus dem amerikanischen Briefkasten geholt, der an der Einfahrt stand. Es war das Übliche: Rechnungen, Werbesendungen, eine Abrechnung seines deutschen Verlegers, Bankauszüge und ein Brief an Susan, der einen amtlichen Eindruck machte.
Susan stand in der Küche und schnitt Spinatblätter, die sie für die Zubereitung einer Rotolo di Spinaci brauchte, in dünne Streifen.
»Post für Sie!«, rief Robert in die Küche.
»Für mich?« Susan wischte sich die Hände an der Schürze ab und nahm Robert den Brief aus der Hand. Sie riss den Umschlag auf, faltete das Schreiben auseinander und las. Nach wenigen Minuten schaute sie Robert ratlos an.
Robert, der sich gerade über eine zu hohe Rechnung seines Heizungsmonteurs ärgerte, blickte auf. »Susan, was ist denn?«
Sie streckte ihm das Schreiben entgegen. »Ich ahne, was das ist. Aber können Sie es mir genau übersetzen?«
»Das ist von der Staatsanwaltschaft in Florenz. Da heißt es: ›Die Ermittlungen im Fall Sonthofen, Kurt, sind eingestellt worden, da der Tathergang nicht eindeutig rekonstruiert werden konnte. Tatverdächtige konnten nicht ermittelt werden. Desgleichen sind die Ermittlungen im Fall Becker-Sonthofen, Susan, eingestellt, da aufgrund sich widersprechender Aussagen der angeblich Geschädigten eine Straftat nicht nachgewiesen werden konnte. Das bisher eingezogene Vermögen des Sonthofen, Kurt, wird freigegeben. Die Zeugin Becker-Sonthofen, Susan, darf mit sofortiger Wirkung das Staatsgebiet der Republik Italien verlassen. Bitte setzen Sie sich mit der zuständigen Dienststelle in Verbindung.‹«
Susan schaute ihn mit großen Augen an. »Soll ich nun lachen oder weinen?«
Robert zuckte mit den Schultern. »Zum einen freut es mich für Sie, dass Sie wieder tun und lassen können, was Sie
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