Die Toskana-Verschwörung: Thriller (German Edition)
Flaschen mit zwei Gläsern auf den Tresen, ohne ein Wort zu sagen. Beide Männer ließen die eiskalten Getränke genussvoll durch die ausgetrockneten Kehlen laufen.
Robert fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Er schaute den Barmann an. »Das ist ein ganz besonders schöner Platz. Wunderbare, alte toskanische Häuser. Seit wann gibt es Panzano?«
Der Dicke drehte sich langsam um. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, und der Schnauzbart hob sich um einen Zentimeter. »Schwer zu sagen, aber bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts lässt es sich zurückverfolgen«, sagte er mit einer sanften und melodiös klingenden Stimme, die in keiner Weise zu seinem klobigen Körper passte.
»Die Kirche gefällt mir besonders gut«, ergänzte Carlo.
Der Dicke lächelte weiter. Außer einem mehrstündigen Aufenthalt in Siena während der Zentralversammlung der Gewerkschaft der Gastronomen, aus der er Ende der Siebzigerjahre aus Wut über die Erhöhung des Mitgliederbeitrages ausgetreten war, hatte er keinerlei Erfahrungen mit fremden Orten. Umso mehr liebte er seine Heimatstadt. »Ja, die ist wirklich schön. Sie stammt aus dem siebzehnten Jahrhundert.«
Sehr gut . Jetzt langsam heranarbeiten , dachte Robert. »Dann gibt es doch auch sicher einen Friedhof. Vorfahren meines Freundes hier stammen nämlich aus dieser Gegend. Da wollten wir mal ein bisschen Ahnenforschung betreiben.«
»Wie ist denn der werte Name?«
Carlo schaute Robert an.
Der nickte.
»Carlo Sebaldo!«
Das Lächeln des Barmanns verschwand im Bruchteil einer Sekunde, dafür schossen Schnauzbart und Augenbrauen je zwei Zentimeter in die Höhe.
»Sebaldo? Sagten Sie Carlo Sebaldo?«
Carlo nickte. »Was ist? Stimmt etwas mit meinem Namen nicht?«
Augenbrauen und Schnauzbart wanderten nach unten. Der Barmann hielt sich die Hand vor den Mund und sprach mühevoll gedämpft. »Wissen Sie, den … äh … den Namen … den kennt hier … naja, ich will mal sagen, den kennt hier jeder. Aber keiner würde ihn aussprechen. Wissen Sie, die Leute hier sind sehr abergläubisch.«
Treffer! Nun den Unwissenden spielen. Robert gab sich arglos: »Das verstehe ich nicht. Was waren denn das für Leute, diese Sebaldos?«
Der Dicke dämpfte seine Stimme und wedelte mit der rechten Hand. »Keine Familie. Es gab nur einen. Und der soll ein … na ja, so einer der mit dem … irgend so ein Hexenmeister gewesen sein.« Er bückte sich mit einer zuvor ungeahnten Behändigkeit, griff sich ein Tuch, das über dem Rand eines Eimers aus grünem Kunststoff hing, und fing an, konzentriert den Tresen zu wischen. »Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, habe ich gehört.«
Robert nahm den letzten Schluck seines Mineralwassers. »Das klingt interessant. Kann man sich das Grab mal ansehen? Wo ist denn der Friedhof?«
»Er liegt nicht auf dem Friedhof. Die Kirche hat ihm ein christliches Begräbnis verweigert. Man hat ihn außerhalb des Dorfes begraben.«
Carlo war näher herangerückt. »Und wo?«
Der Barmann atmete tief ein. »Wissen Sie, ich bin nicht abergläubisch. Ganz und gar nicht. Aber dort, wo das Grab sein soll … Ich weiß nicht … Genau an dieser Stelle … also dort, wo die Straße vorbeiführt … Da müssen Sie ja auch …«
Carlo räusperte sich so laut, dass jeder sofort wusste, dass dieses Räuspern nicht der Befreiung seiner Stimmbänder, sondern der Unterbrechung des stockenden Redeflusses seines Gesprächspartners diente. Die Blicke Carlos und die des Barmanns trafen sich, und Letzterer sah ein, dass eine weitere Kursänderung der Geschichte zwecklos war.
»Wenn Sie von Panzano aus in Richtung Lucarelli fahren, beginnt kurz hinter Panzano ein Waldgebiet. Zuerst ist es noch ein lichter Wald, durch den ein Bach fließt. Dann knickt der Bach ab, und dahinter beginnt ein dichter Eichenhain. Ungefähr drei Kilometer hinter Panzano. Dort ist das Grab, dem sich keiner aus dieser Gegend auch nur nähern würde. Früher gehörte dieser Wald zu dem Grundstück der Witwe Caspari. Als sie starb, wollte es niemand haben. Nicht einmal geschenkt. Und dann noch diese Erschießungen.«
»Was für Erschießungen?«, fragte Robert, der hellhörig geworden war.
Der Dicke begann ein Glas zu polieren. »Im Krieg. Dort bei den Eichen hat die deutsche SS Partisanen erschossen. Das erzählen sich die alten Leute im Dorf.«
Robert schaute Carlo an. »Das sollten wir uns mal ansehen.« Er fasste in seine Hosentasche. »Was macht das?«
Der Barmann hörte auf zu polieren.
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