Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
kann ich für Sie tun?«
Sie hatte sich verändert. Nun trug sie eine Frisur wie Eriks Schwiegermutter: kurz, lockig und auf ordentliche Weise zerzaust. Außerdem hatte sie Make-up aufgetragen und sich in einen Mantel gehüllt, der von der Friedrichstraße stammen konnte. Anscheinend war sie mit einem Teil des zu erwartenden Erbes bereits shoppen gegangen. Aber das war nicht die einzige Veränderung. Sie war auch liebenswürdiger, entgegenkommender, konzilianter geworden, und ihre Verbitterung war nur noch ein Schatten auf ihrer Freundlichkeit.
»Ich wollte mich mal erkundigen, wie weit Sie mit Ihrer Arbeit gekommen sind, Herr Hauptkommissar. Stimmt es, was das Inselblatt schreibt? Sie tappen noch völlig im Dunkeln? Ich möchte Christa endlich beerdigen, wie es sich gehört.«
Du möchtest sie endlich beerben, dachte Erik bei sich, weil du es nicht erwarten kannst, endlich ihr Geld auszugeben. Ruhig und höflich entgegnete er: »Sie bekommen Bescheid, wenn die Leiche freigegeben wird.«
»Also gut.« Bernadette Frenzel wandte sich um und schwenkte ihre Handtasche, als wollte sie allen das Label von Louis Vuitton zeigen.
»Ach, Frau Frenzel …« Erik glättete jetzt jedes einzelne Haar seines Schnauzers, bevor er fragte: »Hat Ihre Schwester eigentlich mal davon geredet, dass Herr Andresen sie um Geld gebeten hat?«
Bernadette Frenzel lachte so, wie eine Frau lacht, die es nicht nötig hat, großzügig zu sein. Wie schnell sich ein Mensch verändern konnte, wenn er reich geworden war! »Ja, Christa hat sich immer köstlich amüsiert, wenn sie mir erzählte, wie Andresen Bitte-bitte machte.«stemmte die Fäuste auf die Schreibtischplatte. »Hat sie erwogen, ihm Geld zu leihen?«
Bernadette Frenzel hob die Schultern. »Keine Ahnung. Aber ich glaube nicht. Es gehörte zu Christas Prinzipien, kein Geld zu verleihen.« Sie verzog ihr Gesicht zu einem hässlichen Lächeln. »Aber es hat ihr Spaß gemacht, gebeten zu werden.«
»Danke, Frau Frenzel.«
Bernadette schaukelte ihr Täschchen von der rechten in die linke Hand. »Ach, was ich noch fragen wollte … Ist diese andere Frau eigentlich demselben Mörder zum Opfer gefallen?«
Erik sah an ihr vorbei. »Sie werden es in der Zeitung lesen, Frau Frenzel. Noch ist es ein Dienstgeheimnis.«
Verständnisvoll nickte sie, schwenkte ein letztes Mal ihre Tasche, dann schloss sich die Tür.
Erik starrte noch eine Weile auf die Klinke. »Ob die Schwestern sich doch ähnlicher sind, als auf den ersten Blick zu erkennen war? Vielleicht unterschieden sie sich bisher nur dadurch, dass die eine reich und die andere arm war.«
Bernadette Frenzel hatte die Tür kaum ins Schloss gezogen, da wurde sie schon wieder aufgestoßen. Der Mann, der plötzlich im Raum stand, sah angriffslustig aus. Hinter ihm erschien Rudi Engdahl und machte verzweifelte Gesten, die Erik beweisen sollten, dass er alles versucht hatte, um diesen Überfall zu verhindern.
»Das Sylter Inselblatt! Moin, Herr Wolf! Ich brauche da mal ein paar Details. Wie weit sind Sie mit Ihren Ermittlungen?«
»Habe ich Sie hereingebeten?«
»Nee, haben Sie nicht.« Der junge Mann grinste unverschämt. »Aber wenn ich darauf warten soll, erfahre ich nie, womit Sie sich die Zeit vertreiben.« Er sah Erik herausfordernd an. »Darf ich unseren Lesern nun endlich mitteilen, dass Sie eine heiße Spur verfolgen?«
»Nein, dürfen Sie nicht.«
»Sie tappen also immer noch im Dunkeln?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Es gibt einen Verdächtigen?«
»Ja.«
»Und der wäre?« Der Reporter zückte einen Stift und einen Schreibblock.
»Scheren Sie sich raus«, antwortete Erik.
»Sie wollen also nicht …?«
»Raus!«
19
Ergebnislose Polizeiarbeit! Anscheinend gibt es einen Verdächtigen für die beiden Sylter Mordfälle! Auf eine Festnahme wartet die Bevölkerung jedoch bisher vergeblich!
Mamma Carlotta raschelte unheilvoll mit der Zeitung. »Imbecille! Stupido! Minorato!« Mit vielen Verwünschungen, die sie ihren Enkeln vorsichtshalber nicht übersetzte, kommentierte sie, was sie las. »Che merda! Wie nennt dieser Schreiberling meinen Schwiegersohn? Schwerfällig? Langweilig? Vai al diavolo!«
Felix stupste seine Großmutter an. »Es muss jetzt sein, Nonna. Am besten, du hältst dir die Nase zu. Das klingt dann so, als wärst du sehr erkältet.«
Auch Carolin redete ihr zu. »Du kannst später weiterlesen. Sonst sucht er noch nach dir, und das könnte peinlich werden. Oder stell dir vor, du triffst ihn
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